Genau zehn Jahre ist die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland her. Damals war viel los auf den Fanmeilen. Gibt es eigentlich Paare, die sich damals gefunden haben und noch immer zusammen sind? Die Antwort ist ziemlich zauberhaft. Es war das Spiel Deutschland gegen Polen. Annemarie, damals 21, war mit Freunden auf der Fanmeile in Berlin. "Das war ein sehr aufregendes Spiel, das entscheidende Tor fiel in den letzten Minuten. Alle waren vollkommen in Ekstase." Die richtige Stimmung zum Feiern und Flirten. "Am Tag danach spielte Schweden gegen Paraguay im Olympiastadion. Der Grund dafür, warum so viele Schweden in der Stadt waren."

Als sie ihre leeren Flaschen beim Getränkewagen loswerden wollten, trafen sie zwei junge Schweden. "Der eine hatte einen Wikingerhut auf dem Kopf und lächelte. Das war Erik", erzählt Annemarie heute. "Ich ließ die beiden 'Karlsson vom Dach' für mich singen."

Irgendwann waren alle Freunde weg. Nur Erik und Annemarie blieben – selbst, als die Stadtreinigung kam. Sie redeten stundenlang, mithilfe von Schulenglisch und ein paar Bröckchen Deutsch. Wie das immer so ist, wenn zwei Herzen sich verflechten. "Wir wissen bis heute nicht mehr, was wir genau erzählt haben." Nur, dass es etwas Besonderes war.

Mails mit langsamem Modem

Zum Abschied gab Erik ihr seine Mail-Adresse und verschwand ins Hostel und wenige Tage später nach Schweden.

Die ersten Mails schrieben sie sich mithilfe von Wörterbüchern. "Wie richtige Liebesbriefe. Damals hatte ich noch ein ganz lautes und langsames Modem." Vor zehn Jahren waren das Internet und Google Translate noch weit von dem entfernt, was sie heute sind.

Vier Wochen später kam Erik, der Sportjournalist, wieder nach Berlin – zum WM-Finale. "Die ganze Stadt war ausgebucht, bis auf zwei Betten in einem 30-Mann-Schlafsaal", sagt Annemarie. Ihre Freundin Kalli hatte die Idee, die beiden Herren aus Schweden in Annemaries Wohnung unterzubringen und so lange bei ihrer Oma in der Nähe auszuweichen. "Erik und Johan waren sehr dankbar und unheimlich überrascht, wie gastfreundlich Berlinerinnen sind."

Ab nach Schweden!

Doch es brauchte noch einen weiteren Besuch, bis es richtig funkte. "Im August 2006 kam er mich noch einmal in Berlin und an der Müritz besuchen und da knisterte es dann endlich! Da wurden wir ein Paar."

Inzwischen sind Erik und Annemarie verheiratet und leben zusammen in einem kleinen Schwedenhäuschen. Nach jahrelanger Fernbeziehung war irgendwann klar: "So kann es nicht für immer weiter gehen. 2012 packte ich mein Pony in den Pferdeanhänger, den Clio voll bis unters Dach und wanderte aus", erzählt Annemarie.

Sie wäre auch in Deutschland geblieben, aber die berufliche Situation gab den Ausschlag. "Erik hatte einen Job bei Borås Tidning, der lokalen Zeitung, ich hatte nach meinem Studium keinen. Da fiel die Wahl nicht so schwer." Schwedisch zu lernen sei übrigens auch nicht schwer gewesen. Nur der Mangel an Sonne hätte ihr anfangs zu schaffen gemacht. "Es wohnen gar nicht alle Schweden bei schönem Wetter in kleinen roten Häusern mit weißen Kanten auf dem Land und essen Erdbeerkuchen."

Tanz um die Stange

Annemaries und Eriks Hochzeit fand in Deutschland statt – auch wegen des besseren Wetters – und zwar im Festsaal der Gaststätte von Annemaries Mama. "Da bin ich aufgewachsen, klar musste ich dort auch heiraten! Wir haben die Schweden am Mittsommer-Wochenende 2013 nach Mecklenburg eingeladen. Zusammen tanzten wir um die Mittsommerstange, aßen Hering und Bratwurst. Alle Traditionen vermischt und die Gäste waren begeistert."

Gelegentliche Anflüge von Heimweh hat Annemarie im Griff. "Dagegen habe ich eine Radieschenstulle gegessen, die hat mich an Kindheit erinnert. Aber seit wir ein Haus haben, habe ich tatsächlich kein Heimweh mehr."

Seit Februar gibt es auch Zuwachs im Team: der kleine Franz. "Er soll auf jeden Fall zweisprachig aufwachsen", sagt Annemarie über ihren Sohn.

Und wie ist das nun mit dem Fußball in der Familie?

"Der spielt hier zu Hause noch immer eine große Rolle. Erik ist Schiedsrichter, Fußballkolumnist und FC Union Fan. Ich habe in den letzten zehn Jahren eine Überdosis an Fußball bekommen und schaue nur ab und zu mal bei EM oder WM zu", so Annemarie. "Wenn ich Bilder von den Fans sehe, kriege ich Gänsehaut. Dann kommt es mir vor, als wäre es gestern gewesen und nicht vor zehn Jahren."