Kaffee ist fantastisch. Nicht nur, weil das belebende, braune Getränk regelmäßig dabei hilft, in der Nacht noch schnell die Semesterarbeit fertig zu schreiben. Sondern auch, weil man den dabei produzierten Kaffeesatz direkt weiterverarbeiten kann. Zum Beispiel, um daraus – was könnte passender sein – Kaffeetassen zu machen. So machen es die Mitarbeiter*innen von Kaffeeform.

Sie mischen den Kaffeesatz mit Bio-Polymeren und Harzen und pressen das Gemisch mit ordentlich Druck in eine Form. Heraus kommen braune Espresso- und Cappuccino-Tassen samt Untersetzer, deren Oberfläche jedes Mal ein bisschen anders aussehen. Jede hat eine andere Maserung, ein Muster, aus dunkelbraunen Anteilen und silbrig schimmernden Flächen. Die Tassen sind viel leichter, als man es von den Klassikern aus Porzellan oder Keramik gewohnt ist. Und kühl sind sie auch nicht. All das erinnert ein bisschen an die Haptik von Plastik. Nach Kaffee riechen die Tassen die ersten paar Tage – dann verfliegt der Geruch.

Die Idee dazu kam beim Espresso

Die fixe Idee zu den Tassen aus Kaffeesatz hatte Gründer Julian Lechner während seines Produktdesign-Studiums in Italien. Da verbrachte er einige Zeit in Cafés, trank viel Espresso. "Irgendwann habe ich mich dann gefragt, was eigentlich mit dem ganzen Kaffeesatz passiert", sagt er. "Ich dachte, man könne den bestimmt pressen und zu einem festen Material weiterverarbeiten. Also fing ich an, zu experimentieren." Aus der unter Einfluss von viel Koffein entstandenen Idee wurde Lechners Abschlussprojekt.

Die ersten Versuche, den Kaffeesatz zu fixieren, machte Lechner mit geschmolzenem Zucker, den Kaffee holte er in Cafés ab. Da Zucker sehr klebrig ist, gelang es ihm tatsächlich, erste Tassen daraus zu gießen. Der Nachteil: Heißen Getränken hielt das Gemisch nicht stand – die Tassen lösten sich auf. Julian Lechner beriet sich also mit Professor*innen, Biochemiker*innen und Maschinenbauer*innen, die er auf Messen kennenlernte. Da stellte er aus, präsentierte seine Idee. "Ich war total überrascht, wie viele Interesse an der Idee hatten", sagt er. "Auch große Firmen. Der Bedarf an neuen, nachhaltigen Produkten ist da, das habe ich gemerkt."

Zwei Jahren werkelte er an der Rezeptur. "Mir ist wichtig, dass alle Stoffe nachwachsen und biologisch abbaubar sind", sagt Lechner. "Deswegen habe ich so lange experimentiert. Und natürlich wollte ich, dass die Tassen eine gute Qualität haben." Mittlerweile sind die Tassen nach Angaben des jungen Unternehmens spülmaschinenfest, lebensmittelecht, bruchsicher und wärmeisolierend.

Bis zu 800 Tassen werden monatlich verkauft

Seit dem Frühjahr 2014 ist das Produkt in der Form auf dem Markt – und wird längst nicht mehr von Julian Lechner alleine gefertigt. Dafür war die Nachfrage schnell zu groß. Neben Händler*innen fragten auch einige Cafés an, sie wollten ihre Heißgetränke fortan in den dunkelbraunen Recycling-Tassen servieren. Auch außerhalb Deutschlands.

Mittlerweile verkauft Kaffeeform zwischen 500 und 800 Tassen monatlich. Dafür werden 300 bis 400 Kilogramm Kaffee benötigt – wie früher losziehen und den alleine einsammeln, geht heute nicht mehr. Dabei hilft Lechner nun der Unternehmensverbund Mosaik in Kreuzberg. Die Mitarbeiter*innen ziehen zu Fuß los und holen den Kaffeesatz aus den Cafés in der Umgebung. Zweimal am Tag, einmal morgens, einmal abends. In den Räumen von Mosaik wird der Kaffee dann bei 68 Grad Celsius drei Stunden in Obsttrocknern getrocknet. Die sehen aus wie große Mikrowellen, vier Stück stehen nebeneinander, in jede passen vier Kilo Kaffee.

"Im Sommer haben wir den Kaffeesatz auch mal draußen in der Sonne getrocknet", erzählt Lechner. "Das hat gut geklappt, die Berliner Sonne darf man nicht unterschätzen." Nächstes Jahr, so träumt er, könne man auch mal ein kollektives Trocknen auf dem Tempelhofer Feld veranstaltet, zu dem jede*r dann gesammelten Kaffeesatz mitbringt.

Bei Mosaik wird der Kaffee außerdem verpackt, die fertigen Tassen gelagert und verschickt. Nur das Mischen und Pressen des Stoffes wird in einem Werk in Baden-Württemberg durchgeführt. "Diesen Schritt möchte ich so schnell wie möglich auch in Berlin ausführen können, um noch kürzere Transportwege zu haben", sagt Lechner.

Nächstes Level: Mehrwegbecher

Der ökologische Impact ist ihm bei seinem Projekt wichtig: "An der Idee finde ich spannend, dass man zum einen das Konsumverhalten nicht ändern muss – wir nutzen dann einfach das Endprodukt dessen, also den Kaffeesatz", sagt er. "Aber gleichzeitig regen wir auch dazu an, bewusstere Konsumentscheidungen zu treffen."

Gerade arbeitet er an einem Mehrwegbecher für unterwegs. "Das Produkt wäre dann noch besser, weil man noch mehr Müll einspart", sagt Lechner. Im Frühjahr 2017 soll es den Becher geben. Und dann, eines Tages, würde er gerne noch ein komplettes Café mit Möbeln aus Kaffeesatz ausstatten. Also Tresen, Tisch, Stühle – alles. Genug Kaffee wird dafür in Berlin ja getrunken.