Valdemar tanzt auf Zombie-Partys, Tang Ying ist froh, nicht mehr bei ihrer Familie wohnen zu müssen. Junge Menschen in Wuhan erzählen von ihrem Leben nach dem Lockdown.

In vielen Ländern wurden in den letzten Wochen aufgrund der zweiten Pandemie-Welle die Ausgangs-und Kontaktbeschränkungen wieder verschärft. Bars und Restaurants stellten in Deutschland zum zweiten Mal in diesem Jahr den regulären Betrieb ein. Nachtclubs bangen seit Monaten um ihre Existenz und junge Menschen monieren vielerorts, dass ihnen der Ausgleich zum Alltag fehlt.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich in Wuhan, China. Hier brach das Corona-Virus Ende vergangenen Jahres aus. Die chinesische Regierung verordnete im Januar einen strengen Lockdown, Menschen durften ihre Wohnungen teilweise nicht mehr verlassen. Als in anderen Provinzen Fälle auftauchten, erweitere China die Maßnahmen. Bis zu 750 Millionen Menschen sollen sich zeitweise im Lockdown befunden haben. Hinzu kommen die extrem restriktiven Einreise- und Quarantänemaßnahmen, die seit dem Frühjahr gelten. China hat es dadurch geschafft, die Zahl der Neuinfektionen stark zu senken.

Inzwischen werden in Wuhan wieder ausgelassene Partys gefeiert. Wir sprachen mit drei jungen Menschen in Wuhan darüber, wie sich das Leben nach dem Lockdown für sie anfühlt.

Valdemar Alexander Shevchuk, 30, Universitätsprofessor für internationales Recht in Wuhan

Niemand hier in Wuhan denkt noch an das Coronavirus. An Halloween war ich mit einem Freund auf einer großen Party im Happy Valley. Das ist ein Vergnügungspark im Bezirk Hongshan. In der letzten Oktoberwoche fanden dort Partys statt, bei denen Live-Actor als Zombies und Monster durch den Park liefen und die Leute erschreckten. Schon auf dem Weg zum Veranstaltungsort begegneten wir in der U-Bahn vielen jungen Leuten, die in Halloween-Kostümen unterwegs waren. Westliche Feiertage sind in China super beliebt. Der Park war dementsprechend voll. Die meisten Menschen trugen aber Masken.

Ich gehe mindestens fünfmal die Woche auswärts essen.
Valdemar

Wir blieben nur anderthalb Stunden im Happy Valley, weil ich vorher schon ein paar Mal dort war. Das letzte Mal zur Halloween-Party im November 2019, kurz vor Beginn der Pandemie. Damals mussten wir noch keine Masken tragen. Das war eigentlich der größte Unterschied. Außerdem mussten wir im Vorhinein unseren Besuch im Park online anmelden und konnten unsere Tickets nicht erst vor Ort kaufen. Wenn es zu einem Ausbruch gekommen wäre, hätte so nachverfolgt werden können, wer alles vor Ort war. Ansonsten lief aber alles ziemlich gleich ab. Die meiste Zeit spielten wir mit Zombies und Vampiren verstecken. Das war ziemlich cool.

In Wuhan machen mir Menschenmengen keine Angst. Ich fühle mich sicher. Zur Arbeit fahre ich jeden Tag mit der U-Bahn. Die Züge sind brechend voll. In der Stadt hat längst alles wieder geöffnet. Seit Juli können junge Menschen fast genauso feiern gehen wie noch vor der Pandemie. Es gibt hier viele Clubs und Bars. Es ist schön, wieder ausgehen zu können. Ich gehe momentan mindestens fünfmal die Woche auswärts essen.

Ali Abbas, 26, Student in Wuhan

Wir haben unsere Freiheit wieder. Nachts leuchten überall die Straßenlampen, die Menschen stehen in den Fressmeilen Schlange, die Restaurants und Bars sind voll. Märkte, Einkaufszentren, Kinosäle, Schulen und Universitäten sind geöffnet.Touristenattraktionen, wie das Happy Valley, das alte Museum oder die Pagode des gelben Kranichs, ein geschichtsträchtiges Bauwerk, sind gut besucht. Die Leute bewegen sich wie vor der Pandemie. Ich kann feiern gehen, wo ich möchte und mich so bewegen, wie es mir gefällt. Das ist schön.

Als der Lockdown in Wuhan losging, war ich sehr besorgt. Schließlich hatte ich so etwas noch nie zuvor erlebt. In den Medien schwirrten viel Fake News über das Virus rum. Ich hatte Angst, mich zu infizieren. Von heute auf morgen durften wir uns nicht mehr frei bewegen, mussten in unseren Studierendenwohnheimen bleiben. Ich fühlte mich aber nicht allein, weil ich mit den anderen internationalen Studierenden dort sprechen konnte. Draußen auf den Straßen bewegten sich nur noch Freiwillige, die Essen verteilten und Beamt*innen umher. Alle anderen saßen zu Hause.

Ich fühle mich in Wuhan sicherer als im Rest der Welt.
Abbas

Das internationale Studierendenbüro meiner Universität kümmerte sich gut um uns. Sie informierten uns in regelmäßigen Abständen über die Situation da draußen. Außerdem versorgten sie uns mit Nahrungsmitteln, Masken, Thermometern und traditionell chinesischer Medizin, um das Immunsystem zu stärken. Ich fühlte mich gut aufgehoben. Das war auch der Grund, warum ich mich damals dagegen entschied, das Land zu verlassen und zurück nach Pakistan zu fliegen. Viele meiner internationalen Kommiliton*innen ließen sich ausfliegen. Ich dachte mir: Ich bin in Wuhan sicherer als im Rest der Welt.

Ich konnte das Wohnheim 76 Tage nicht verlassen. Das Ende des offiziellen Lockdowns feierte ich mit Freund*innen am East Lake, einem berühmten See in Wuhn. Wir picknickten, aßen etwas und waren einfach nur zusammen. Nach der langen Quarantäne tat es gut, mit Freund*innen auszugehen und diese wiedergewonnene Freiheit zu spüren. Wir haben dieses Gefühl wirklich genossen.

唐莹 Tang Ying, 22, Studentin in Wuhan

Wuhan funktioniert fast wieder so wie vor dem Virus. Ich gehe trotzdem nicht allzu oft Abends aus. Das liegt aber nicht daran, dass ich Angst vor dem Virus habe, sondern weil ich auf dem Campus lebe. Hier gibt es die Mensa und Cafeterias, ich muss nicht raus, um etwas zu erleben.

Als sie die Stadt abriegelten, besuchte ich gerade meine Mutter in meiner Heimatstadt Xiangyang, ungefähr eine Stunde mit dem Schnellzug von Central Wuhan entfernt. Schon im Zug auf dem Weg dahin las ich auf Weibo, dem chinesischen Twitter, eine Nachricht der Gesundheitsbehörde, in der von dem Virus berichtet wurde. Das war im Dezember 2019, kurz vor Neujahr. Kurz danach, im Januar, ging Wuhan in den Lockdown. Ich konnte nicht mehr auf den Campus zurück und verbrachte die Quarantäne deshalb bei meiner Familie. Erst im Juni, nach mehreren Covid-Tests, fuhr ich mit dem Auto nach Wuhan. Da war die Stadt schon weitestgehend zur Normalität zurückgekehrt.

Ich habe aber keine Angst.
Tang Ying

Die meisten chinesischen Studierenden, die ich kenne, kümmern sich nicht wirklich darum, was im Rest der Welt mit dem Coronavirus passiert. Junge Menschen reden generell nicht mehr viel über Corona. Meine Eltern tun es manchmal noch. Die Jahreszeit ändert sich gerade. Der Winter kommt und es wird kälter. Sie sind besorgt und sagen mir, ich solle vorsichtig sein, wenn ich mich in Wuhan bewege. Ich persönlich habe aber keine Angst.