Gegen eine Gruppe ging die Stasi ganz besonders hart vor.

Um in der DDR als Jugendliche*r aus dem Unterricht geworfen zu werden, brauchte es nicht unbedingt lautes Stören oder das Herumreichen geheimer Zettelbotschaften. Manchmal reichten schon lange Haare. Der Leipziger Historiker Sascha Lange erzählt, dass sein Vater mal vom Lehrer nach Hause geschickt wurde, weil er eine Jeans trug. Später wurden junge Punks von der Volkspolizei sogar festgenommen, Mitglieder unliebsamer Bands fürs Militär eingezogen oder eingeknastet.

"In den 1950ern und 60ern hatten alle Regierenden ein massives Problem mit ihren Jugendlichen. Das war erstmal nichts DDR-Spezifisches", sagt Lange. Der Unterschied zur Bundesrepublik war jedoch: Die Jugendlichen der DDR sollten zu sogenannten sozialistischen Persönlichkeiten erzogen werden. Die Jugend galt als Hoffnungsträgerin der SED und sollte dem Sozialismus treu ergeben sein. Was für die DDR-Führung nach westlicher Dekadenz roch, wurde unterdrückt.

Walter Ulbricht, von 1950 bis 1971 SED-Chef, fasste es so zusammen: "Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen." Mit "Je-Je-Je und wie das alles heißt" meinte er das Yeah-Yeah-Yeah der Beatles, deren Musik und das damit vermittelte Lebensgefühl zu dieser Zeit auch bei Jugendlichen in der DDR populär war.

Die Stasi bespitzelte die aufblühenden Subkulturen nach einer Typologie mit Erkennungsmerkmalen. Da gab es neben den Punks die Popper, die sich für Disco und Breakdance interessierten. Die Blueser, die als langhaarige Hippies verortet wurden. Teds, die in Röhrenjeans zu Rock'n'Roll von Elvis tanzten. Heavies, die Leder und Nieten trugen und aus denen später die Grufties um die britische Band The Cure hervorgingen. New Romantics, die New Wave hörten. Und prügelnde, neofaschistische Skins. So sehr sie sich in Auftreten und politischem (Des)Interesse unterschieden, die DDR-Führung brandmarkte sie alle öffentlich als "negativ-dekadent". Indem man die Jugendlichen als "Elemente", "negative Personen" oder "Rowdys" labelte, habe man versucht, sie zu entmenschlichen und ihnen die Legitimität zu nehmen, sagt Historiker Lange.

Punks wurden eingezogen und festgenommen

So ganz klappte es mit dem Zurückdrängen des westlichen Einflusses allerdings nicht. Mit dem Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker Anfang der 1970er schuf die DDR-Führung zunächst eigene Angebote für Jugendliche und ließ Beat-Bands wie die Puhdys und Karat als sogenannten Ostrock zu. Musik wurde durch das Komitee für Unterhaltungskunst planwirtschaftlich organisiert. Ab Mitte der 1980er gab es mit DT64 sogar einen eigenen Jugendsender, der heute als MDR Sputnik fortbesteht. Viele DDR-Jugendliche hörten zu der Zeit heimlich Westradio, denn im DDR-Rundfunk und bei Veranstaltungen durften nur 40 Prozent der Titel aus dem westlichen Ausland stammen.

Die einzige staatlich anerkannte und geförderte Jugendorganisation der DDR, die Freie Deutsche Jugend (FDJ), versuchte sich in diesem Szenario in Teilen als Jugendversteherin. "Es war ein Wechselspiel aus Repression und Angeboten", sagt Sascha Lange.

Jugendkultur hatte eine grenzsprengende Kraft.
Sascha Lange, Historiker aus Leipzig

Ab den 80ern geriet die Subkultur der Punks zunehmend ins Visier der Stasi, da sie besonders radikal in der Öffentlichkeit und in ihrer Ablehnung der Staatsform auftrat. 1983 gab Stasi-Chef Erich Mielke den Befehl zur Zerschlagung der Szene. "Diese Elemente sind nicht mehr mit Samthandschuhen anzufassen", hieß es in einem Erlass. Die Behörde schleuste Inoffizielle Mitarbeiter (IMs) in die Szene ein und versuchte, Punks als Spitzel anzuwerben. Zum Beispiel Jana Schloßer, eine der Gründer*innen der Punkband Namenlos, die im ZEIT-Podcast Wie war das im Osten? davon erzählt. An Namenlos wurde ein regelrechtes Exempel statuiert. Alle Mitglieder wurden verhaftet und bis auf einen Minderjährigen verurteilt. Jana Schloßer kam in das Frauengefängnis Hoheneck. Sie hatte es abgelehnt, ihre Bandkollegen auszuspionieren.

Die Mangelwirtschaft der DDR machte die Jugendlichen erfinderisch

Historiker Sascha Lange sagt, dass es trotz der Regeln und Repressionen kreativen Freiraum gab: "Viele haben sich eine Nische geschaffen." Man habe sich entsprechend der Arbeitspflicht irgendwo einen Job als Hausmeister*in oder Pförtner*in besorgt, sich viel krankschreiben lassen und die Freizeit für Musikmachen genutzt. Dass es in der DDR-Mangelwirtschaft an allem fehlte, auch an Platten und Zeitschriften, machte die Jugendlichen erfinderisch. Es bildeten sich Netzwerke, um sich auszutauschen. "Der Staat hatte hier keinen Überblick mehr", sagt Lange.

Welche Bedeutung hatten die Jugendkulturen für die Bürgerrechtsbewegung der DDR? Laut Lange hatten sie mit der Opposition in der DDR nicht so viel zu tun. "Sie waren selbst kulturelle Opposition, in Teilen auch politische, gerade bei den ersten Punks." Statt in der DDR fanden die Jugendlichen in den Jugendkulturen und der Musik eine kulturelle Heimat und etwas Verbindendes mit Gleichgesinnten im Westen. Auf der Lesetour zu Langes Buch Behind the wall: Depeche Mode-Fankultur in der DDR seien oft Menschen auf ihn zugekommen, die meinten: "Eure Jugendlichen waren gar nicht so anders als unsere." Es deckt sich mit dem, was der Autor erlebte. "Wenn man in Prag oder Budapest auf der Straße jemanden traf, der so aussah wie man selbst oder wie jemand von Depeche Mode, hat man sich gegrüßt. Jugendkultur hatte eine grenzsprengende Kraft."

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