Andrew Davies, der Autor der britischen Vorlage von House of Cards, will nicht einfach nur den unvollendeten Roman von Jane Austen zu Ende schreiben. Er findet auch, es brauche mehr männliche Sichtweisen. Unsere Autorin widerspricht ihm. Ein Kommentar

Jane Austen war keine feministische Revolutionärin. Dafür hängt das Glück ihrer Protagonistinnen viel zu sehr von den Männern um sie herum ab. Aber: Austens Romane bieten einen Einblick in die Gedanken einer Frau des 19. Jahrhunderts. Sie beschreibt nicht das Leben aller Frauen, aber eben von Frauen statt von Männern.

Andrew Davies' Fernseh-Adaption von Stolz und Vorurteil aus dem Jahr 1995 machte das Buch von Jane Austen einer breiten Masse zugänglich. Das ist gut und wichtig. Wir haben nun aber das Jahr 2018. Es braucht sicherlich keine männliche Interpretation einer weiblichen Sichtweise mehr.

Jetzt will Davies allerdings Sanditon, ein unvollendeter Roman von Jane Austen, zu einer TV-Reihe machen. Dabei wird er mehr Spielraum haben, als er sich auch bei Stolz und Vorurteil nahm, schließlich kann er hier nicht nur frei interpretieren, sondern sogar frei hinzufügen. Wie das genau aussehen wird, kann jetzt noch nicht beurteilt werden, doch in einem Interview mit dem Guardian präsentierte Davies seine fünf Regeln im Umgang mit den Werken von Jane Austen, die einen Ausblick auf die kommende Produktion geben dürften.

Die erste ist dabei besonders interessant: "Regel Nummer eins: die männliche Perspektive einbeziehen. Jane Austen würde nie eine Szene schreiben, in der ein Mann alleine oder zwei Männer zusammen vorkommen. Es waren immer Szenen zusammen mit Frauen." Seine Version von Stolz und Vorurteil wollte er bewusst so beginnen lassen, dass Darcy und Bingley auf Pferden in die Grafschraft einreiten – "große Pferde, große Männer, enge Brücken, muskulöse Schenkel, Elizabeth beobachtend auf dem Hügel ,Ohh, das ist interessant' denkend".

Es ist schon verrückt, der Meinung zu sein, es bräuchte mehr Männer, mehr Maskulinität in einer Geschichte, die von einer Autorin begonnen wurde, die entgegen dem Großteil der Literatur aus dem Leben von Frauen erzählt. Das ist schließlich das, was Jane Austen ausmacht.

Filme aus männlicher Sicht sind gewöhnlich

Nun soll es keinem Mann abgesprochen werden, eine eigene Sichtweise auf die Werke anderer zu haben. Aber diese so zu drehen, dass sie das eigene Denken widerspiegeln? Schwierig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Männer – vor allem weiße – immer noch überrepräsentiert sind in Film und Fernsehen. Und zwar sowohl als Autor, als Charakter und in den Dialogen zwischen Charakteren, als auch im Produktionsteam hinter der Kamera – die wenigen Ausnahmen sind Maske und Kostüm. Das gilt für Hollywood genauso wie für die deutsche Filmbranche. Künstlerische Freiheit hin oder her – der male gaze ist so populär, dass er kaum eine neue Offenbarung bietet. Was nicht bedeutet, dass diese Arbeiten von schlechter Qualität wären, nur eben, na ja, gewöhnlich.

Es gibt mittlerweile einige Beispiele für Filme und Serien, in denen sich um Diversität bemüht wird. Sense8, Orange is the New Black, Oceans 8, Blau ist eine warme Farbe, Lady Bird und Black Panther sind nur einige Beispiele. Oft landen Filme von Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen und mit vorwiegend weiblichem Cast allerdings in nischigen Arthaus-Kinos und erreichen nur ein spezifisches Publikum. Dazu kommt, dass es auch mehr Filmkritiker als -kritikerinnen gibt, die strenger mit solchen Filmen sind als ihre Kolleginnen beziehungsweise seltener über Filme mit weiblicher Hauptrolle schreiben, obwohl diese finanziell erfolgreich sind.

Jane Austen aus zeitgenössisch-weiblicher Sicht wäre angemessener

Andrew Davies' Intention mag keine schlechte sein und grundsätzlich ist es auch nicht unüblich, sich in Interpretationen frei am Original zu orientieren. Der Drehbuchautor ist aber schon in der Vergangenheit mit einigen Kontroversen aufgefallen – nicht zuletzt wegen seiner oft erotischen Vorstellungskraft, die bei einer Schauspielerin, die ursprünglich für House of Cards gecastet war, dazu führte, lieber die Produktion zu verlassen, statt die im Skript vorgesehene Szene zu spielen.

In Zeiten von #MeToo und #TimesUp ist eine männliche Sichtweise auf ein Werk einer Autorin auch schlicht überholt. Die Perspektive einer Frau aus dem 19. Jahrhundert, erzählt von einer Frau aus dem 21. Jahrhundert könnte dagegen spannend sein. Vielleicht sogar revolutionär.