Im Wintersemster 2017 begannen knapp 40.000 Menschen in Deutschland ein Studium der Medizin oder Gesundheitswissenschaften. Selbst mit Abitur ist es nicht unbedingt leicht, einen Studienplatz zu bekommen. Es gibt einen Numerus clausus, Warteliste, Aufnahmeprüfungen, Quoten. Dass es aber auch ohne Abitur möglich ist, Medizin und andere Fächer zu studieren, sei immer noch wenig bekannt, sagt Sigrun Nickel, die sich seit 17 Jahren mit dem Thema beschäftigt und beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) arbeitet. 800 der knapp 40.000 Medizin/Gesundheits-Erstsemester sind nach Zahlen des CHE Menschen ohne Abitur.

"Die Möglichkeit wird langsam immer bekannter", sagt sie. Das zeigt sich auch an den Zahlen. Die Zahl der Studierenden ohne Abitur habe sich seit 2007 vervierfacht. Wie folgende Grafik auf Basis aktueller Zahlen des Centrums für Hochschulentwicklung zeigt, haben in Deutschland noch nie so viele Menschen ohne Abitur ein Studium angefangen.

Den Zugang zu einem Studium ohne Abitur hat die Kultusministerkonferenz 2009 geregelt. "Die Hochschulen haben nachgezogen und bieten mehr und mehr Studiengänge für Menschen ohne Abitur an", sagt Nickel. Trotzdem ist der Zugang noch komplizierter als mit Abitur und von Hochschule zu Hochschule sowie von Fach zu Fach unterschiedlich geregelt. So ist in Baden-Württemberg zum Beispiel ein Beratungsgespräch mit der Hochschule zwingend, während es in Berlin nicht so ist. Wer Medizin studieren möchte, hat größere Chancen, wenn sie*er vorher etwa als Krankenpfleger*in gearbeitet hat. Hinzu kommt ein Eignungstest, der selbst zu zahlen ist und rund 200 Euro kostet.

Besonders beliebt sind Fächer aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Mehr als die Hälfte der Menschen ohne Abitur entscheidet sich für ein Fach aus diesem Bereich. Die Chancen, tatsächlich zu einem Abschluss zu kommen, unterscheiden sich dabei nicht groß von denen Studierender, die mit Abitur an die Hochschule kommen. "Die Abbruchquote ist zu Beginn etwas höher, dann aber gleich", sagt Nickel.

Für sie ist die gestiegene Zahl erfreulich. "Es ist eine Sache der Bildungsgerechtigkeit", sagt sie. Die Zahlen könnten aber noch besser sein, findet sie. Während in Deutschland nur gut zwei Prozent aller Studierenden kein Abitur haben, sind es beispielsweise in Schweden acht.

In der ersten Fassung dieses Artikels hieß es, dass 2017 109.000 Menschen angefangen hätten Medizin/Gesundheitswissenschaften zu studieren. Das ist falsch.

Mehr Informationen zu einem Studium ohne Abitur gibt es auf der Website "Studieren-ohne-Abitur".