In Oranienburg bei Berlin stand heute Morgen ein Mann vor Gericht, weil seine Tätowierung Ende November im Spaßbad "Erlebniscity" in Oranienburg für Aufmerksamkeit sorgte: Er trägt ein Tattoo, das die Umrisse des Konzentrationslagers Buchenwald mitsamt des Spruchs "Jedem das Seine" in gotischer Schrift großflächig auf seinem Rücken zeigt. Dieser Spruch stand über dem Haupteingang des KZ.

Ein anderer Badegast bemerkte das Tattoo, fotografierte es und veröffentlichte das Bild mit dem Kommentar "Solche Typen laufen unbehelligt im Schwimmbad in Oranienburg rum" auf Facebook. Die Polizei nahm Ermittlungen auf, die Staatsanwaltschaft Neuruppin erhob Anklage.

Der Mann mit der Nazi-Tätowierung ist der 27-jährige Marcel Zech, Mitglied bei der rechtsextremen NPD im Kreistag Barnim und Gemeindevertreter in Panketal. Der gebürtige Sachse aus Löbau ist bereits wegen anderer Taten vorbestraft. Darunter Körperverletzung, Amtsanmaßung und Fahren ohne Führerscheins.

Über den Fall wurde in einem beschleunigten Verfahren entschieden. Es kommt dann zum Einsatz, wenn Fälle nicht allzu folgenschwer sind, eindeutig und einfach gestrickt sind und von der Justiz schnell abgeurteilt werden können. Die Haftstrafe darf in diesen Fällen maximal ein Jahr betragen. Das Gericht entschied am heutigen Dienstagmorgen auf sechs Monate Haftstrafe auf Bewährung für Marcel Zech.

Weswegen stand der Angeklagte vor Gericht?

Wer Verbrechen des Nationalsozialismus' öffentlich billigt, leugnet oder verharmlost, macht sich der Volksverhetzung schuldig. Das trifft im Oranienburger Fall zu, weil Marcel Zech sein Tattoo in einem öffentlichen Schwimmbad zeigte, erklärt Martin Heger, Strafrechtsprofessor an der Humboldt-Universität. Marcel Zech hat diesen Tatbestand inzwischen über seinen Anwalt zugegeben.

Marcel Zech muss sein Tattoo nach dem Urteil nicht entfernen. Er wäre nicht einmal dazu verpflichtet, es einem Richter zu zeigen. Strafrechtlich relevant ist nur, ob er es in der Öffentlichkeit zeigt. Solange er ein T-Shirt anzieht oder ein Handtuch umlegt, begeht er keine Straftat.

Was sagt die Tattoo-Szene zum Urteil von Marcel Zech?

Wir haben mit Maik Frey über den Fall gesprochen. Er ist Pressesprecher des Vereins Deutsche Organisierte Tätowierer e.V. Zum Urteil sagt er: "Prinzipiell stimmen wir zu, dass rassistische, hetzende oder verfassungsfeindliche Tattoos unter Strafe gestellt werden müssen – seien es SS-Runen, die schwarze Sonne oder Hakenkreuze. Wobei letztere immer schwerer zu identifizieren sind, da die sehr ähnlich aussehenden Swastika im Hinduismus, Jainismus und Buddhismus als Glückssymbole gelten."

Für Frey und viele seiner Kollegen gebe es persönliche Grenzen, die sie nicht überschreiten. Alles, was menschen- oder auch tierverachtend ist, also auch alle rassistischen Motive, würden sie nicht stechen. "Ich wüsste nicht, dass jemals ein Tätowierer wegen eines extremistischen Motivs verurteilt wurde. Sie bedienen ja eigentlich nur die Kundenwünsche. Zumindest ist mir so ein Fall nicht im Gedächtnis."

Laut Frey existiere allerdings eine große Untergrundszene: "Ich selbst bin manchmal ziemlich erstaunt, in welcher Qualität Portraits von irgendwelchen Nazigrößen tätowiert werden. Im Osten scheint es da einige Kollegen zu geben, die zwar etwas drauf haben, aber eben ein entsprechendes Klientel bedienen." Er kenne persönlich nur eine Person, die in dieser Szene unterwegs ist und manchmal solche Sachen tätowiert. Dessen Tattoos seien "auf einem sehr hohen Level." Dass die Kunden rechtlich aufgeklärt werden, bevor sie sich Nazi-Tattoos stechen lassen, glaubt er nicht.

Frey selber habe schon ein paar mal "ACAB" gestochen ("All Cops Are Bastards"). "Ich habe aber die Leute davon abgehalten, es sich auf die Fingerknöchel oder andere explizite Stellen zu machen. Dadurch, dass der Schriftzug in der linken wie rechten Szene gleichermaßen verbreitet ist und quasi die gegensätzlichen Ideologien zusammenbringt, fand ich es in Ordnung."

Ob es gerade im Trend liege, sich Nazi-Tattoos stechen zu lassen, konnte Frey nicht sagen. Es kämen nicht vermehrt Kunden mit diesen Wünschen zu ihm und seinen Kollegen. "Ich selbst habe aber schon den Ruf, dass ich so etwas nicht mache. Ich schätze, jeder Tätowierer hat einen bestimmten Ruf. Diejenigen, die nicht damit in Verbindung gebracht werden, kommen auch nicht mit der jeweiligen Szene in Kontakt und haben demnach keinen Zulauf."