"Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen", sagt CDU-Politiker Carsten Linnemann. Die persönlichen Geschichten, die Menschen in den sozialen Medien teilen, beweisen das Gegenteil. Ein Kind, das kaum Deutsch verstehe und spreche, habe auf der Grundschule noch "nichts zu suchen" – so äußerte sich Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann in einem Interview mit der Tageszeitung Rheinische Post. Der Volkswirt aus Paderborn meint, um das erwünschte "Leistungsniveau" an Schulen beizubehalten, müsste für Kinder ohne umfassende Deutschkenntnisse eine Vorschulpflicht greifen: "Notfalls muss seine Einschulung auch zurückgestellt werden."

Viele Menschen in den sozialen Medien reagieren mit Verständnislosigkeit und Wut auf die Äußerung des Politikers. Manche von ihnen, die selbst eine Zuwanderungsgeschichte haben, erzählen, wie sie ohne vollständige Deutschkenntnisse eingeschult wurden und dennoch einen Abschluss erlangen, studieren oder sogar promovieren konnten. So auch User Nabard Eff: "Ich hab in der Grundschule erst Deutsch lernen dürfen. Jetzt werde ich Arzt. Promoviere parallel", schrieb er auf Twitter. Rund 3.400 Menschen gefällt das:

Andere User*innen berichten von ähnlichen Erfahrungen, darunter auch Politikerinnen wie die Baden-Württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras und die Landtagsabgeordnete Aminata Touré aus Schleswig-Holstein sowie der Pianist Igor Levit:

Muttersprache ist der Schlüssel für die Zweitsprache

Sprach- und Kognitionswissenschaftler*innen betonen tatsächlich immer wieder, dass Migrant*innen mit ihren Kinder nicht unbedingt Deutsch, sondern ihre Familiensprache sprechen sollten. Gila Hoppenstedt vom German Institute for Immersive Learning (GIFIL) begründet das damit, dass die Muttersprache der Schlüssel für die zweite Sprache sei. Die erste Sprache forme kognitive Voraussetzungen, um Inhalte zu verstehen und zu verarbeiten, die dann in der Kita oder Grundschule gelernt werden. Ähnlich äußerte sich der Linguist und Buchautor Jürgen Meisel in einem Interview der Süddeutschen Zeitung (Bezahlinhalt). Zwar betont er, dass der Erwerb der Zweitsprache vom sechsten Lebensjahr an schwieriger sei als mit drei oder vier Jahren. Das liege jedoch nicht unbedingt an der Mehrsprachigkeit der Kinder, sondern auch in der "sozialen Benachteiligung".