Auf dem Parkplatz des Campus im Hamburger Stadtteil Sankt Georg stehen graue Container. Seite an Seite. Das Hochhaus dahinter wirft einen riesigen Schatten. Der Wind pfeift, es ist eisig kalt. Sarah öffnet die Tür. In ihrem Container ist es warm, die Luft staubtrocken. Fotos aus vergangenen Tagen der 39-Jährigen verzieren die Wände. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank, Plastikblumen.

Mit 15 Jahren hatte Sarah einen Unfall, danach musste ihr ein Bein amputiert werden. Bereits in jungen Jahren begann sie als Sexarbeiterin zu arbeiten. Sarah ist transsexuell und braucht eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung. Die Hormone in Form von Tabletten bekommt sie von Hilforganisationen zur Verfügung gestellt, wie sie erklärt. Sie erzählt, wie schwer es für sie war, in der Slowakei aufzuwachsen: "Als ich 13 Jahre alt war und merkte, dass ich transsexuell bin – ich wusste hundertprozentig, dass ich anders bin als meine Kollegen – hatte ich viel zu tun damit, dass mich Leute schlagen, beleidigen und sagen, du scheiß Trans, warum bist du so?" Ob sie denn nun Frau oder Mann sei, hätten sie ständig alle gefragt. Es gab wenig Verständnis und noch weniger Aufklärung, was es bedeutet transsexuell zu sein. "Das hatte viel zu tun mit Schmerzen. Ich war nicht so ein glücklicher Mensch wie jetzt." Bevor sie in das Conatainer-Projekt zog, lebte sie auf der Straße.

Zehn Frauen leben im Containerprojekt

Der Caritasverband hat das Projekt für obdachlose Frauen bereits 1993 ins Leben gerufen und es ist nach wie vor deutschlandweit einzigartig. Zehn Frauen leben hier in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zusammen: Krankheit, Sucht- oder psychische Probleme. Jede hat ihre eigene Geschichte. Was alle gemeinsam haben: Sie sind alle Frauen und obdachlos. Denn es verbindet Lehre und Praxis: angehende Sozialarbeiter*innen, die an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) studieren, kümmern sich die ganze Woche über abwechselnd um die Bewohnerinnen. Hören zu, packen mit an und helfen den Frauen, wo diese Hilfe benötigen.

Jede Frau hat circa sechs Quadratmeter für sich allein. Der Raum ist weder luxuriös noch schön, aber schafft eine sichere Rückzugsmöglichkeit und ein Dach über dem Kopf. In der Fachsprache spricht man von einer "niedrigschwelligen Unterbringung". Alle Frauen, die hier leben, würden sonst auf der Straße sein, da sie in keiner Einrichtung Platz finden oder bleiben können. Derartig schnelle und günstige Unterbringungen werden in Deutschland immer wieder diskutiert. Zuletzt verstärkt im Bezug auf Geflüchtete und erschwinglichen Wohnraum.

Obdachlose Frauen in Deutschland

Genaue Zahlen für Obdach- und Wohnungslosigkeit liegen weder für Deutschland noch für Hamburg vor. Der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnunglosenhilfe (BAG W) schätzt, dass derzeit 860.000 Menschen in ganz Deutschland wohnungslos sind. Als wohnungslos gilt, wer keine dauerhafte Wohnung hat und stattdessen in Unterkünften lebt, in denen der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist. Rund 56.000 Menschen von den Wohnungslosen schlafen direkt auf der Straße. 2009 wurden die Menschen in den Einrichtungen in Hamburg gezählt, damals waren etwas über 1.000 Menschen in Hamburg obdachlos, 250 davon Frauen.

"Sowohl für Männer als auch für Frauen ist ein Leben ohne Wohnung sehr schwer und kompliziert. Beiden fehlt es an einem Schutzraum. Das führt zu prekären Lebensverhältnissen: Armutsgefahr, physische Probleme, Krankheiten und Suchtgefahr", erklärt Andrea Hniopek, die seit Jahren mit obdachlosen Menschen arbeitet und das Container-Projekt leitet.

Hniopek schätzt, dass circa 25 Prozent der obdachlosen Menschen Frauen sind. Für Frauen ist ein Leben auf der Straße besonders gefährlich, weil spezifische Aspekt hinzukämen: "Frauen sind besonderer Stigmatisierung ausgesetzt. Sie sind auf der Straße und auch in Einrichtungen häufiger Gewalt ausgesetzt – gerade durch Männer. Viele der Frauen geben an, bereits Gewalt erlebt zu haben, insbesondere sexualisierte Gewalt."

Obdachlose Transfrauen haben es besonders schwer

"Wohnungslos sein allein ist schlimm genug und grenzt aus. Je mehr Faktoren zusammenkommen, desto komplexer wird eine Lebenssituation, desto mehr Ausgrenzung und Stigmatisierung findet statt. Transfrauen haben es besonders schwer", erklärt Andrea Hniopek. "Die Menschen sind verunsichert, ist das jetzt ein Mann oder ist das eine Frau. Man hat gewisse Schablonen und Schubladen, in die man sie steckt. Transfrauen möchten sich als Frau fühlen, da gehören bestimmte Sachen dazu."

Die Verlierer*innen der EU-Binnenzuwanderung

Unter den Menschen die auf der Straße leben sind überproportional viele aus EU-Ländern. Vor allem in den Metropolen betrage ihr Anteil unter den obdachlosen Menschen bis zu 50 Prozent, teilte die BAG W mit. Die Straßenobdachlosigkeit ist daher stark durch die EU-Binnenzuwanderung geprägt.

Hniopek erklärt, dass die Politik sich der Problematik sehr wohl bewusst sei: "Wir nehmen es als Gesellschaft hin, dass wir enorm von der EU-Erweiterung profitieren. Dass viele Menschen hierherkommen, unserem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und Steuern zahlen. Alle sind sich bewusst, dass es hierbei auch Verlierer gibt, die es hier nicht geschafft haben, in gute Arbeitsverhältnisse zu kommen."

Diese Menschen hätten weder ein Recht auf soziale Leistungen, noch seien sie versichert. "Von Vergessen ist hier nicht die Rede, sondern von fehlender bedarfsgerechter Hilfe. Ich finde wir müssen auch Verantwortung für die Menschen tragen, die noch nicht Fuß gefasst haben oder gescheitert sind. Es fehlt an Solidarität und an Verantwortung", sagt Hniopek.