Seit zwei Jahren nun sitze ich fast jeden Morgen auf der Terrasse derselben Bar und gehe online. Erst war es so beiläufig, fast heimlich. Aber über die Zeit bin ich mit den Betreibern warm geworden, die mich hier sitzen sehen, wie ich euch schreibe. Ich bin nicht per Du mit dem Besitzer, aber wir nicken uns zu und sagen "Hallo." (Mike Wille, 21. April 2014)

Mike Wille war ein obdachloser Straßenmusiker in New Orleans. Er trank, nahm Drogen und bloggte jeden Tag als "Mad Mike" von seinem Leben als selbsternannter "Hippie Bum". Mike, dessen linkes Bein von Geburt an ein paar Zentimeter kürzer ist als sein rechtes, belustigte Menschen in Neuseeland, der Ukraine, Schottland, den USA – er hatte Tausende Fans weltweit.

Manchmal nutzte er die zwei Stunden freies Internet pro Tag in der Bibliothek von New Orleans, aber öfter schrieb er auf Laptops, die er von Menschen aus seiner Community geschenkt bekam. Dabei wurde er, von den Stufen seines Lieblings-Coffeshops aus, der erste obdachlose Blogger. Menschen vor ihren Bildschirmen bekamen durch "The Ground Score" eine Ahnung davon, wie es ist, das Leben auf der Straße. Bis Mike vor ein paar Monaten verstummte. Was war passiert?

Screenshot: Mad Mike/Facebook

Dem US-Journalisten Michael Patrick Welch vom "Guardian", verriet er, dass sich seine Mutter umgebracht und ihm 1,8 Millionen US-Dollar (etwa 1,64 Millionen Euro) und ein Haus vererbt hatte. Der 36-jährige "Hippie Bum" ist jetzt Millionär und hat ein schlechtes Gewissen seinen Fans gegenüber: "Sie mögen einen Außenseiter. Deswegen bin ich ein bisschen nervös, wie sie reagieren würden", sagt er gegenüber Welch.

Die Menschen in seiner Stadt würden ihn plötzlich anders behandeln. Mike wird jetzt von Nachbarn nach Hause eingeladen, dürfte auf Sofas anderer schlafen und der Rest seiner Familie interessiere sich auf einmal für ihn. Das sei aber nie das gewesen, weshalb er geschrieben hätte, sagt Mike: "To be honest I haven’t been writing because I finally care what someone thinks."

Mad Mike hat sich teure Musikinstrumente und ein Auto gekauft und die Schulden seines Onkels Danny bezahlt. Jetzt will er endlich trocken werden und den Rest seines Geldes investieren. "Ich will den Rest meines Lebens damit verbringen, zu schreiben,  Grafiken zu basteln und Musik zu machen. Ich denke auch darüber nach, eine Familie zu gründen, jetzt wo ich die Möglichkeit habe, mich um jemanden zu kümmern."

Das alles erfahren seine Fans nur aus dem Artikel des Guardians und ein einem Facebook-Post, der auf den Artikel verweist. Auch uns wollte Mad Mike kein Interview geben. Aus seinen Aussagen im Gespräch mit Welch lässt sich aber erkennen, dass er mit seinem Schicksal hadert: Der Selbstmord seiner Mutter war der dritte in seiner Familie und er sagt: "I was very happy about the money, but I don’t like the way I got it. I wish she would have given me 10% of it and had a deeper relationship with me."