Am 22. Juli 2016 erschoss der 18-jährige David S. am Münchner Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen und sich selbst. An diesem Tag verloren Armela S., Sabina S., Sevda D., Can L., Selçuk K., Janos Roberto R., Hüseyin D., Dijamant "Dimo" Z. und Giuliano-Josef K. ihr Leben. Es gab mehrere Verletzte. Die meisten der neun Opfer hatten einen Migrationshintergrund und wurden von David S. gezielt ausgewählt. Die bayerischen Landesbehörden schlossen eine politisch motivierte Tat zuerst aus, obwohl es von Beginn an Hinweise auf die rechtsextreme Gesinnung des Täters gab.

Der Täter hatte sich in Internetforen wiederholt rassistisch geäußert und war auf der Spieleplattform Steam und auf Facebook Mitglied in einschlägigen Gruppen. Außerdem wurden auf seinem Computer private Chatprotokolle und Dateien gefunden, die seine rassistischen Terrorfantasien und Pläne offenbarten. Auch das Datum des Anschlags lies auf ein rechtsextremes Motiv schließen. David S. wählte dafür den fünften Jahrestag der Anschläge in Oslo und auf der Insel Utøya, die vom norwegischen Rechtsextremisten Anders Breivik verübt worden waren und bei denen 77 Menschen ermordet wurden.

Drei Jahre später räumten die Behörden ein: Es war kein Amoklauf

Trotz der eindeutigen Indizien weigerten sich das Landeskriminalamt und das bayerische Innenministerium lange Zeit, die Tat als rassistisches Attentat anzuerkennen. In ihrer ersten Einschätzung wurden die psychologischen Probleme des Täters und Mobbing als Hauptmotiv herangezogen. Es hieß, der Täter habe sich rächen wollen für das jahrelange Mobbing seiner Mitschüler*innen.

Erst 2019, mehr als drei Jahre nach der Tat, revidierte das bayerische Innenministerium seine erste Einschätzung und wertete das Attentat fortan als rassistisch motivierte Tat. Auch das Landeskriminalamt stuft die Tat seitdem als politisch motivierte Gewaltkriminalität ein.

Der Änderung gingen monatelange Kritik der Hinterbliebenen sowie Gutachten von renommierten Extremismusforscher*innen voran. Die Amadeu Antonio Stiftung erklärte damals, dass die Neubewertung der Tat ein längst überfälliges Signal sei: "Damit werden das rassistische Tatmotiv und die rechtsextreme Ideologie des Täters endlich anerkannt."

Ein Erinnerungsmal mit falscher Inschrift

In München wurde ein dauerhafter Erinnerungsort für die Opfer errichtet. Das Denkmal, das den Namen "Für Euch" trägt, wurde am ersten Jahrestag des rassistischen Attentats eingeweiht. Es besteht aus einem hohen Edelstahlring, in dessen Mitte ein Ginkgo-Baum mit Grünfläche steht. Auf der Innenseite des Rings befinden sich die Namen und Porträts der neun Todesopfer.

Außerdem steht dort: "In Erinnerung an alle Opfer des Amoklaufs vom 22.7.2016". Eine falsche Inschrift, wie Sibel und Hassan Leyla, die Eltern des ermordeten 14-jährigen Can Leyla, der taz erzählten. Anstatt die grausame Tat als das zu benennen, was sie war, wird dort weiterhin die Idee eines nicht politisch motivierten Amoklaufs festgehalten.

Sibel und Hassan Leyla versuchen seit Jahren gemeinsam mit weiteren Angehörigen der Opfer, die Inschrift des Mahnmals ändern zu lassen. Das erste Mal hatten sie sich im Herbst 2018 an die Stadt München gewendet. Laut den Angehörigen fanden daraufhin mehrere Gespräche statt – es passierte jedoch lange nichts.

Gegenüber der taz prangern die Leylas den fehlenden Kooperationswillen der Behörde an. Sibel Leyla erklärt, dass es unübersehbar gewesen sei, dass man sich der Wahrheit nicht stellen wolle. Es sei immer wieder vom Thema abgelenkt oder das rassistische Motiv verharmlost worden. Die Behörde hätte den Eindruck vermittelt, als sei es unmöglich, etwas am Mahnmal zu ändern.

Im Juni 2020 lenkte die Stadt München laut Angaben der Süddeutschen Zeitung ein und erklärte, die Beschriftung des Denkmals nun doch ändern zu wollen. Ab Herbst 2020 soll statt der bisherigen Inschrift "In Erinnerung an alle Opfer des rassistischen Attentats vom 22.7.2016" auf dem Edelstahlring stehen.