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Hinweis: Für diesen Text haben wir Filme zusammengestellt, deren deutscher Erscheinungstermin in 2019 lag.

Parasite

Allein die Prämisse der südkoreanischen Thrillerkomödie ist wunderbar kreativ: Ki-woo (Choi Woo-shik) ergattert einen Job als Nachhilfelehrer bei den wohlsituierten Parks. Nach und nach organisiert er auch dem Rest seiner Familie Jobs im Haushalt der Reichen: Seine Schwester Ki-jung (Park So-dam) hilft als Therapeutin aus, sein Vater Kim Ki-taek (Song Kang-ho) wird Chauffeur, die Mutter Chung-sook (Jang Hye-jin) Haushälterin. Dass sie verwandt sind, verschweigt die Familie – und das wird bald zum Problem. Regisseur Bong Joon-ho (Okja, Snowpiercer) inszeniert die Geschichte zu Beginn sehr lustig, später schlägt Parasite in einen spannenden Thriller um, den man auf unterschiedlichen Ebenen gucken kann: entweder als famosen Unterhaltungsfilm und/oder als kluge Gesellschaftskritik.

Systemsprenger

Bernadette (gespielt von Helena Zengel, Jahrgang 2008) ist ein sogenannter Systemsprenger. So nennt man in der Pädagogik Kinder und Jugendliche, die sich nicht ins Hilfssystem integrieren lassen. Sie pöbelt andere Kinder an, schmeißt mit Gegenständen um sich und bedroht einen ihrer Erzieher mit dem Messer. Ihre Mutter will sie auf keinen Fall wieder bei sich aufnehmen, auch Bernadette alias Bennis Betreuer*innen sind komplett überfordert. Schulbegleiter Micha (Albrecht Schuch) versucht, Benni bei einem Trip in den Wald zur Ruhe bringen und sie davor zu bewahren, in ein Camp für Systemsprenger im Ausland verfrachtet zu werden. Das Sozialdrama ist ein ausgezeichnetes Autorinnenstück von Nora Fingscheidt, weil sie in ihrem Spielfilmdebüt immer wieder die Perspektive wechselt: Obwohl die Kamera hauptsächlich Benni begleitet und sogar ihre gewaltvollen Träume zeigt, gewinnt man auch Einblick in die Gefühlswelt der Menschen um sie herum. Der beste deutsche Film des Jahres, mindestens.

Searching Eva

Die Sexarbeiterin und Künstlerin Eva Collé berichtet auf Instagram und ihrem Blog detailliert über ihr Leben – und ständig reiben Kritiker*innen sich an ihren Geschichten und Meinungen. Searching Eva folgt der Protagonistin durch ihr Leben, zu ihrer Familie nach Italien, ins Bett mit Klienten, in die Badewanne mit Freundinnen, zu Partyabenden mit Koks und Heroin – und dazwischen ploppen immer wieder Kommentare von Follower*innen auf: Mögen Männer es, dass du so dünn bist? Du bist die postmoderne Jeanne d’Arc. Bist du nur auf der Suche nach Liebe? Du bist so cool und interessant, wie in einem Indiefilm. Wie kannst du dich als Feministin bezeichnen, wenn du für Geld mit Männern schläfst? Ein Leben in der Halböffentlichkeit und der Kampf für die Identität in Zeiten des Internets ist noch nie so gut inszeniert worden.

The Farewell

Billi (Awkwafina) versteht ihre Familie nicht: Nai Nai, ihre Oma (Shuzhen Zhao), hat Krebs im Endstadium – und jede*r aus der Familie weiß es, nur Nai Nai selbst nicht. Statt es ihr zu sagen, inszeniert die Familie eine Hochzeit, um einen Grund zu haben, nach China zu fliegen und die Oma ein letztes Mal zu sehen. Billi, die mit ihren Eltern in den USA lebt und dort aufgewachsen ist, soll von der Hochzeit ausgeschlossen werden, weil sie schlecht lügen kann. Aber sie reist dem Rest der Familie trotzdem nach und ist hin und her gerissen, ob sie Nai Nai über ihre Krebserkrankung aufklären soll. Das Treffen der Kulturen ist ebenso liebevoll wie herzlich geschrieben, Awkwafina und Shuzhen Zhao spielen großartig.

Once Upon a Time… in Hollywood

Quentin Tarantinos neunter Film erzählt parallel mehrere Geschichten, die am Ende ineinandergreifen. Zum einen ist da Rick Dalton (Leonardo DiCaprio), ein Westernstar, der damit fertig werden muss, dass die große Zeit der Western vorbei ist. Da ist Ricks Stuntdouble Cliff Booth (Brad Pitt), der sich in eine junge Hippie-Frau verguckt und über sie bei einer suspekten Gang landet. Und da ist die aufstrebende Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie), die in der Realität 1969 von Mitgliedern der Manson Family ermordet wurde. Robbie, Pitt und DiCaprio liefern Glanzleistungen ab und das 1960er-Jahre-Setting ist zu jeder Filmsekunde wunderbar anzusehen.

Joker

Die Zuschauer*innen bekommen systematisch vorgeführt, wie der Wannabe-Stand-up-Comedian Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) am Leben scheitert und sich zum soziopathischen Mörder entwickelt. Die Welt in Joker ist düster und aussichtslos und der Antiheld scheint gar nicht anders zu können, als der Böse zu werden. Das ist eine heikle und natürlich einseitige Darstellung. Aber der ernsthafte Ton des Films fügt sich gut ein in die Reihe düsterer Superheld*innengeschichten der vergangenen Jahre – wie die Batman-Trilogie von Christopher Nolan oder das Wolverine-Finale Logan von James Mangold. Vorbei sind die Zeiten, in denen Arthur Fleck etwa durch eine fehlgeschlagene Lachgasverabreichung zum Monster wird. Heute ist das gesellschaftliche Umfeld schuld. Willkommen im Jahr 2019.

Burning

Der Thriller basiert auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami (1Q84, Naokos Lächeln). Darin verliebt sich Jongsu (Yoo Ah-in) in Haemi (Jeon Jong-seo) – aber als sie von einer Afrikareise zurückkehrt, findet Jongsu keinen vernünftigen Zugang mehr zu ihr. Der Grund ist der Rich Boy Ben (Steven Yeun), der ständig mit Haemi abhängt und offenbar keine ehrenvollen Ziele verfolgt. Burning ist ein toll besetztes und schön gefilmtes Drama, das – wenn man wenigstens einen Kritikpunkt äußern will – ein Mü zu lang ist.

The Favourite

Regisseur Giorgos Lanthimos, der mit The Lobster und The Killing of a Sacred Deer ein Faible fürs Weirde und Surreale bewies, hat einen für seine Maßstäbe konventionellen Historienfilm über Queen Anne Stuart gedreht. Die in die Jahre gekommene Monarchin (Olivia Colman) wird durch ihre Freundin und heimliche Geliebte Sarah, Duchess of Marlborough (Rachel Weisz), ferngesteuert. Doch die Beziehung wird durch Sarahs Nichte, Ex-Lady Abigail (Emma Stone), zerrüttet. Anstatt bieder die Intrigen zu Hofe zu schildern, bricht Giorgos Lanthimos das Drama immer wieder durch gelungenen schwarzen Humor. Die Wirrungen um die drei Frauen und hampelmannhaften Männer drumrum sind spannend bis zum Schluss, und alle drei Schauspielerinnen liefern eine w-a-h-n-s-i-n-n-i-g geniale Leistung ab.

Wir

Mit Get Out hat Regisseur Jordan Peele 2017 zweierlei geliefert: einen erstklassigen Horrorfilm sowie eine hervorragende Gesellschaftskritik. Dass ihm letzteres mit Wir nicht ganz so gut gelingt, haben ihm Kritiker*innen negativ vorgehalten. Trotzdem: Wir ist ebenfalls ein kluger und lustiger Horrorfilm, in dem Adelaide Wilson (Lupita Nyong'o) und ihre Familie gegen böse Alternativversionen ihrer selbst kämpfen müssen.

Official Secrets

2003 löste eine Mitarbeiterin des britischen Nachrichtendiensts Government Communications Headquarter (GCHQ) einen Skandal aus, als sie eine geheime E-Mail leakte. Der NSA-Angestellte Frank Koza bat in dem Schreiben um Hilfe, UN-Abgeordnete zu überwachen. Das GCHQ sollte offenbar illegal Material sammeln, um UN-Abgeordnete unter Druck zu setzen, damit sie die US-Invasion des Iraks unterstützten. Official Secrets erzählt eindrucksvoll, wie Katharine Gun (Keira Knightley) die E-Mail nach innerem Kampf weitergab und schließlich als Whistleblowerin vor Gericht kam.

Booksmart

Amy (Kaitlyn Dever) und Molly (Beanie Feldstein) sind Streberinnen aus Überzeugung. Ihre ganze Schullaufbahn haben sie damit verbracht, dafür zu arbeiten, dass sie die Besten in allem sind. Den klassischen Partyspaß mit Trinken und Knutschen haben sie dafür sausen lassen. Kurz vor dem Highschool-Ende müssen Amy und Molly feststellen, dass einige der schlimmsten Partymonster unter ihren Mitschüler*innen Zusagen für die prestigeträchtigsten Unis des Landes bekommen – anscheinend ganz ohne Anstrengung. Das Streberinnenduo fällt vom Glauben ab und beschließt, am letzten Tag der Schule den Partyspaß nachzuholen. Dank des gesamten Casts ist die Coming-of-Age-Geschichte Booksmart einer der Komödienhits des Jahres. Witzig, charmant, fair; einfach ein Film, in dem man als Zyniker*in wie auch als Optimist*in gerne leben und mit allen Figuren befreundet sein würde.

Midsommar

Christian (Jack Reynor) will mit seinen Freunden Urlaub in der Provinz Hälsingland machen, fernab der Zivilisation, und den Stress mit seiner Freundin Dani (Florence Pugh) vergessen. Aber Fehlanzeige: Dani hängt sich einfach an die Gruppe dran und kommt mit. In strahlendem Sonnenschein werden die US-Studierenden von hübschen und immer lächelnden Schwed*innen in blütenweißen Trachten umgarnt, sie schmeißen Halluzinogene und nehmen mit großen Augen an Banketts und Ritualen teil. Eines dieser Rituale erschüttert die Gruppe nachhaltig: Nicht nur das Leben läuft bei diesen schwedischen Hippies etwas anders ab, auch der Tod wird hier nach ganz eigenen Regeln vollzogen. Der neue Horrorfilm von Regisseur Ari Aster (gefeiert für Hereditary) spielt Genre-untypisch im Hellen und ist im klassischen Horrorsinn kaum gruselig, dafür aber ungemein verstörend.

Marriage Story

Autor und Regisseur Noah Baumbach (hat unter anderem mit Wes Anderson Fantastic Mr. Fox und mit Greta Gerwig Frances Ha geschrieben) hat für Netflix eine Dramakomödie gedreht. Darin geht’s ausnahmsweise mal nicht darum, wie sich ein Paar kennenlernt. Stattdessen zeigt Marriage Story die Trennung von Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver). Der Film ist sowohl sehr lustig als auch sehr traurig und überrascht mit einem wunderbaren Twist am Schluss. Und es ist gut anzusehen, Driver nach den vielen Star Wars- und Johansson nach ihren Marvel-Auftritten in diesen bodenständigen Rollen zu sehen, in denen sie ihr Schauspieltalent zeigen können.

Der Leuchtturm

Das hat gedauert: Mit seinem künstlerisch wertvollen Horrorfilm The VVitch kickstartete der junge US-Regisseur Robbert Eggers 2015 die Karriere der großartigen Anya Taylor-Joy (Split). 2019 hat er mit richtig großen Kalibern endlich nachgelegt: In Der Leuchtturm müssen sich Wärter Thomas Wake (Willem Dafoe) und Gehilfe Ephraim Winslow (Robert Pattinson) um einen mysteriösen Leuchtturm im Maine der 1890er-Jahre kümmern. Ein anstrengender, einsamer Job, bei dem der aufziehende Sturm bald die kleinste Sorge der beiden ist. Denn zum Leuchtfeuer hinauf darf nur der bärbeißige Wake, was den mürrischen Winslow misstrauisch macht. Welches Geheimnis lauert dort oben im gleißenden Licht? Bald gehen sich die beiden an die Gurgel und ein beispielloses Duell der Raubeine nimmt seinen unvermeidlichen Lauf. Das in betörenden Schwarz-Weiß-Bildern präsentierte und mit rätselhaften Symboliken befeuerte Drama kitzelt aus Dafoe die wohl stärkste Darbietung seiner Schauspielkarriere – und auch Pattinson steht ihm in kaum in etwas nach. Dazu das konstante Dröhnen des Nebelhorns und Visionen verführerischer Fabelwesen.

The Peanut Butter Falcon

Die richtig große Aufmerksamkeit hat The Peanut Butter Falcon nicht bekommen. Das ist schade, denn das sympathische und lustige Indiedrama ist genau die Art Film, die Shia LaBeouf gut gebrauchen kann: eben einen richtig sehenswerten, mit dem er abseits seiner Eskapaden und exzentrischen Auftritte wieder als Schauspieler von sich reden machen kann. Hier trifft er als verschwiegener Kleinkrimineller Tyler zufällig auf Zak (Zack Gottsagen), einen 22-Jährigen mit Downsyndrom. Der ist aus einem Heim geflohen, um seinen größten Traum zu verfolgen: professioneller Wrestler werden. Doch Sozialarbeiterin Eleanor (Dakota Johnson) nimmt bald Zaks Fährte auf, und auch Tylers tragische Vergangenheit holt die beiden ein. Klar, dass die unterschiedlichen Typen letztlich Freunde werden: The Peanut Butter Falcon ist ein fast naiver, vor Herz übersprudelnder Buddy-Roadmovie. Auch wenn er hier und da bei seinen fantasievollen Ideen etwas übers Ziel hinausschießt, überzeugt vor allem die Zeichnung der Charaktere. Denn gerade Zaks Downsyndrom spielen die Regisseure und Drehbuchautoren Tyler Nilson und Michael Schwartz nicht als Gimmick oder Tränendrüsenfaktor aus. Es spielt sogar kaum eine Rolle. Wer also einen echten Feelgood-Film zu Weihnachten sehen will, sollte kitschig-misslungene Schmonzetten wie Last Christmas skippen und sich mit Tyler und Zak in die Hitze der US-Südstaaten stürzen.

Fyre

Das Fyre Festival sollte das hippste Musikevent aller Zeiten werden, ausgetragen auf einer paradisischen Insel. Dooferweise scheiterte die Orga des ambitionierten Projekts an allen Ecken und Enden. Die Rich Kids, die für das Event ihres Lebens angereist waren, fanden sich plötzlich in einem Herr der Fliegen-Setting wieder. Statt in Luxusunterkünfte wurden sie in billige Zelte verfrachtet, starke Regenfälle verwüsteten das Gelände und die Einheimischen wurden für ihre Arbeit nicht entlohnt. Auch wenn ein paar Verantwortliche in der Doku zu unkritisch dargestellt werden, war Fyre die spannendste Netflix-Doku des Jahres.

Avengers: Endgame

Regisseur Martin Scorsese urteilte über die Marvel-Filme hart: "That's not cinema." Zwar lassen auch wir uns lieber vom Autor*innenkino einer Greta Gerwig oder eines Wes Anderson einlullen – das bombastische Ende der Avengers-Reihe muss aber selbst unserer kritischen Meinung nach in eine Bestenliste der Filme 2019 aufgenommen werden. Endgame beendet fulminant eine Serie an Filmen, die 2008 mit dem ersten Iron Man-Teil losging und ein komplexes Universum an Charakteren und Geschichten hervorgebracht hat. Die kleinen und die eine große Schlacht in Endgame – inzwischen der erfolgreichste Film aller Zeiten – wirken wesentlich aufgeräumter und übersichtlicher als das Effektgewitter im Vorgänger. Das Verhältnis aus auflockernden Witzen und dem betonten Ernst der Lage ist diesmal gut austariert und die emotionalen Momente im Finale dürften auch bei Skeptiker*innen der Filmsaga zünden. Besseres Popcorn-Blockbuster-Kino gab's dieses Jahr nicht zu sehen.

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