Das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt. Es überrascht daher nicht, dass es ein hohes Maß an Organisation erfordert. Damit die Wiesn nicht zum Ballermann wird, braucht es zumindest ein paar Dos and Don'ts. Keine Fahrräder, keine Waffen, kein Aufenthalt in der Nacht, kein Verkauf privater Waren, keine mitgebrachten Getränke – alles irgendwie verständlich.

Der falsche Ort für Gleichberechtigung

Dieses Jahr hat sich das sogenannte Wiesn-Team aber noch etwas ganz Besonderes ausgedacht. Es ist kein Ge- oder Verbot, sie selbst nennen es einen Tipp. Auf oktoberfestportal.de wird homosexuellen Menschen nahegelegt, "ein bisschen zurückhaltend zu sein" und nicht für Gesprächsstoff zu sorgen. Denn das Bierzelt sei "jedenfalls nicht der richtige Ort, um den Menschen Begriffe wie Toleranz und Gleichberechtigung zu erklären."

Am richtigen Ort zur richtigen Zeit dürfen Homosexuelle aber flirten, dazu gibt es weiter unten auf der Website sogar eine offizielle Erlaubnis: "Wer sich bei einem 'schwulen' Wiesnevents in der Bräurosl und der Fischer Vroni aufhält, kann sein Glück versuchen und auch offen flirten."

Dass oktoberfestportal.de keine offizielle Seite der Stadt ist, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Sie wird von Michael Caravitis betrieben, der die Website als "Gemeinschaftsprojekt Netzwerk von unterschiedlichen Medien, Privatpersonen, Unternehmen, Institutionen, Vereinen und Betreibern von Webseiten" versteht.

Auf Nachfrage von tz München sagte Caravitis, er habe keinen Überblick über die Inhalte seiner Seiten und könne daher auch nichts zu dem Verhaltenstipp sagen. "Wir freuen uns aber grundsätzlich, wenn über die Schwulen auf der Wiesn diskutiert wird", habe Caravitis gesagt.

Die Wiesn sollte ein Fest für alle sein

Die Tipps grenzen an Diskriminierung. Ähnliches denken wohl auch Münchens Grünen-Chefin Gudrun Lux und Bundestagsabgeordneter Volker Beck. Sie schrieben einen Brief an Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Darin schreiben sie über ihr Unverständnis darüber, dass eine solche Warnung überhaupt notwendig ist. "Die Wiesn ist ein großes ausgelassenes Fest. Da sollen alle Menschen mitfeiern können, ohne sich verleugnen zu müssen. Die Landeshauptstadt muss sich da ganz aktiv einklinken und alles tun, dass es eine sichere und freie Wiesn für alle gibt", sagt Lux zutz München.

Dass der Verhaltenstipp für Gesprächsstoff sorgt, dürfte dem selbst ernannten Wiesn-Team bewusst sein. Seit Kurzem steht zu diesem Thema ein Statement auf der Website:

Ob Caravitis darüber einen Überblick hat, ist nicht bekannt. Derselbe Herr betreibt auch die Seite rosawiesn.de, auf der es Informationen zu queeren Veranstaltungen gibt. Die einzige offizielle Seite zum Oktoberfest lautet oktoberfest.eu.

Von 16. September bis 3. Oktober findet in München das 184. Oktoberfest statt. In riesigen Zelten werden riesige Mengen an Bier getrunken und riesige Mengen an herzhaftem Essen verdrückt. Tracht, Rummel, Blasmusik, ein Millardenumsatz – im vergangenen Jahr haben insgesamt 5,6 Millionen Besucher*innen 6.1 Millionen Liter Bier geschluckt.