"Plötzlich rummst es. Und dröhnt und scheppert. Ein Kollern ohne Ende. Und dann Staub und Dunkelheit und Geschrei. Und unter mir ging der Boden weg. Und das Licht war aus und dann war Schluss. Ruhe. Und diese Ruhe war furchtbar [...] Ich erinnere mich, ich hab mich im Mantel meiner Mutter verkrochen und ich merkte, wie sie zitterte und ich zitterte und wir heulten. Beide. Und dann hab ich mich irgendwann umgedreht und hab unterm Mantel vorgelugt. Da war Omas Haus. Und dann war da nur noch Feuer und Rauch und sonst nichts mehr", das erzählt mir Karin, 78, aus Berlin in unserem Gespräch. Bis ihre Stimme bricht. Und ich weiß: Das hier ist wichtig.

Überall in Europa, aber auch international, blüht der Nationalismus. Dazu kommt Hass auf Geflüchtete, der in zunehmenden rechten Gewalttaten mündet. Aber die, die heute geflüchtete Menschen fürchten oder ablehnen und sich auf ihre nationale Identität berufen, haben oder hatten ziemlich wahrscheinlich selbst Großmütter, die aufgrund genau dieses Nationalismus' am eigenen Leib Krieg, Tod, Elend und Flucht erleben mussten. Und trotzdem fehlt es ihnen an Empathie.

Berlin sah damals aus wie Aleppo heute.
Zeitzeugin Anita

Oma erzählt vom Krieg hält wichtige Erinnerungen fest

"Oma erzählt vom Krieg", das ist eine leicht joviale Floskel dafür, wenn jemand mal wieder die alten Erinnerungen auspackt. Aber wir brauchen diese Erinnerungen heute mehr denn je. Meine Omi hat mir oft Geschichten vom Krieg erzählt. Davon, wie grauenhaft, gnadenlos und entsetzlich er ist. Wie es sich anfühlt, plötzlich sein Zuhause für immer verlassen zu müssen – zu Fuß, verlaust und dreckig, hungernd und frierend. Ohne zu wissen, wo es hingeht und was werden soll. Davon, wie es ist, als Kind Tote sehen zu müssen. Als geflüchteter Mensch beschimpft und verjagt zu werden. Inmitten von Zerstörung aufzuwachsen. "Berlin sah damals aus wie Aleppo heute", berichtet mir eine weitere Zeitzeugin.

Meine Omi lebt nicht mehr, aber ich habe fünf anderen Frauen zugehört. Sie waren noch Kinder, als sie Krieg, Tod und Vertreibung erlebten. Ihre Geschichten bewegen und erschüttern. Diese persönlichen Schicksale schmälern die gesamtdeutsche Schuld am und im Zweiten Weltkrieg nicht – oder wie es der Historiker Moritz Hoffmann bei Spiegel Online formuliert: "Warum sollte man sich in der Rolle 'die Deutschen' als Opfer verstehen, wenn man historisch betrachtet zu dieser Zeit klar zuvorderst Täter war?" Aber Millionen unschuldiger Kinder wuchsen im Krieg auf und haben lebenslang schwärende seelische Wunden davongetragen.

Für Oma erzählt vom Krieg, ein neues Podcast-Format bei ze.tt in fünf Teilen, frage ich die Protagonistinnen nicht nur nach ihren Erlebnissen, sondern auch nach Erkenntnissen für die heutige Zeit. Um Krieg zu verhindern, so höre ich, brauchen wir Bündnisse, Mitgefühl, Zivilcourage und Toleranz. Und das Bewusstsein dafür, warum genau das alles essenziell für unsere Gesellschaft und den Fortbestand unserer Welt ist. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen.

Oder um es mit Karins Worten zu sagen: "Nie. Wieder. Krieg."

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