"Das ist eine Schwarz-Weiß-Fotografie. Nur die Linien sind farbig." Seit der australische Ökonom Lionel Page mit diesen Worten auf Twitter ein Foto postete, zerbrechen sich Menschen im und außerhalb des Internets den Kopf an einem besonderen Beispiel optischer Täuschung.

Auf dem Schwarz-Weiß-Foto in Pages Tweet ist eine Gruppe junger Menschen zu sehen, die mit einer Schildkröte posieren. Ihre T-Shirts scheinen rot, grün, gelb und blau zu sein – farbig eben, genauso wie ihre Umgebung. Doch Page schreibt dazu: "Ihr 'seht', was euer Gehirn voraussagt, wie die Realität zu sein hat – und das allein durch die unvollständigen Informationen, die es bekommt."

Die Gitternetz-Technik funktioniert auch in Videos

Tatsächlich erkennt man auf den zweiten Blick, dass es sich bei dem Bild um ein Schwarz-Weiß-Foto handelt. Allerdings liegt auf dem Motiv ein feines, farbiges Gitterliniennetz. Es erzeugt im Gehirn die Wahrnehmung, das komplette Bild sei farbig.

Kreiert hat diese optische Täuschung der Norweger Øyvind Kolås, der sich als Werkzeugmacher digitaler Medientools beschreibt. Auf seinem Twitter-Profil zeigt er weitere Kreationen der Farbgitter-Technik:

Ist dieses Kleid schwarz-blau oder weiß-gold?

2015 hatte ein anderes Bild zu großen Verwirrungen und langen Diskussionen unter dem Hashtag #dressgate geführt, in die sich Wahrnehmungspsycholog*innen und Farbexpert*innen aus verschiedenen Ländern einschalteten. Im Februar hatte die Schottin Caitlin McNeill auf ihrem mittlerweile gelöschten Tumblr-Profil ein Foto eines Kleides geteilt. Dazu die Frage: "Das Kleid ist offensichtlich schwarz und blau, aber alle meine Freunde sagen, es wäre weiß und goldfarben. Jetzt bin ich total verwirrt. Was seht ihr?"

Die Antwort in diesem Falle ist ebenfalls unser Gehirn und nicht etwa, dass zu Melancholie neigende Menschen eher blau sehen: "Unser visuelles System macht permanent Farbkorrekturen und berücksichtigt dabei auch die konkrete Beleuchtungssituation", erklärte Holger Dambeck auf Spiegel Online. Wer etwa denke, das Kleid befinde sich bei Tageslicht im Schatten, ziehe gedanklich das dort dominierende blaue Licht ab. Wer hingegen davon ausgehe, dass das Kleid am Abend mit gelblichem Kunstlicht angestrahlt worden wäre, nehme das Muster als blau-schwarz wahr.