In den öffentlichen Debatten um die Paragrafen 219a und 218 sind viele Männer merkwürdig schweigsam. Laut sind nur Gegner des Schwangerschaftsabbruchs, sie versammeln eine riesige Lobby hinter sich, treten offensiv in Sozialen Netzwerken auf.

Es scheint, als hätten viele Männer, die für die Selbstbestimmung der Frau sind, entweder nichts zu sagen – oder wollten sich nicht äußern. Warum ist das so? Hier schreiben drei ze.tt-Autoren ihre Gedanken dazu auf.

"Ich möchte mir das nicht anmaßen"

Einige Männer mögen es gar nicht, zu einem kritischen Blick auf Männlichkeit allgemein und insbesondere die eigene Männlichkeit aufgefordert zu werden. Würden wir uns aber den ehrlichen Spiegel vorhalten, interessieren sich Männer für das Thema nur dann, wenn es sie auch unmittelbar betrifft. Ich persönlich verfolge die Debatte zugegeben nur mit einem Auge. Das mag daran liegen, dass es konkrete Erfahrungen, die ich aus meinem Freundes- und Bekanntenkreises miteinfließen lassen könnte, nicht gibt. Ich könnte mir als Mann nie ein so umfassendes Bild machen, wie es eine Frau kann, da ich nie in die Situation eines Abbruchs kommen werde. Ich kann es nicht nachfühlen, gleichwohl ich mir der Problematik bewusst bin.

Markus. © Foto: Elif Kücük

Jemand, der sich damit nie hat persönlich beschäftigen müssen, wird auch nicht in der Lage sein, eine solche Situation nachfühlen zu können. Stattdessen verrennt man sich in einem undurchsichtigen Dickicht aus Paragrafen eingestaubter Gesetzbücher, die beim Versuch, die Erwartung einer ganzen Bevölkerung zu treffen, daran scheitern, dass sie das Leben von Frauen individuell maßgeblich beeinflussen.

Damit wir uns nicht missverstehen: Die Debatte über 219a ist mir nicht egal, aber als Mann möchte ich es mir einfach nicht anmaßen, darüber zu urteilen, wie eine Frau eine Entscheidung zu treffen hat, die in allererster Linie ihr eigenes Leben betrifft. Dennoch würde ich mir wünschen, dass es mehr Aufklärung gäbe, die sich speziell an Männer als Partner von Frauen richtet.

"Bequemer das Geschehen aus der Distanz zu verfolgen?"

Ich könnte jetzt schreiben, dass ich für die Abschaffung des Paragrafen 219a gern die Fahnen schwenken möchte. Das stimmt auch. Immerhin bin ich mir sicher, dass Frauen eigenständig Entscheidungen über ihre Körper fällen sollten. Auch weiß ich, dass Frauen in heterosexuellen Partnerschaften die Konsequenzen einer Schwangerschaft am eigenen Leib zu spüren bekommen. Unsicher bin ich mir darüber, weshalb ich mich dennoch wie viele andere Männer an der Diskussion rund um Paragraf 219a äußerst verhalten beteilige.

Vielleicht liegt es daran, dass mir Geschichten aus meinem Umfeld durch den Kopf geistern, in denen Frauen ihren Partnern sowohl die Schwangerschaft als auch den Abbruch vorenthalten haben. Vielleicht schüchtert mich die Paragrafen-Debatte ein, an der sich zahlreiche Expertinnen beteiligen, die es sowieso besser wissen müssen als ich. Vielleicht schwingt meinerseits aber auch eine gewisse Bequemlichkeit mit, das Geschehen aus der Distanz zu verfolgen.

Man kann aber auch den direkten Dialog mit der eigenen Partnerin suchen.

Solange ich nur als Dritter mit dem Thema in Berührung komme, ist es, als würde ich an einer Weggabelung stehen und hätte die Wahl zwischen Konfrontation und Resignation. Um nicht in Ohmacht zu fallen, entscheide ich mich dann für Letzteres. Eine Ohnmacht, die im Vergleich zu den Kämpfen, die Frauen in diesen Zeiten auszutragen haben, so marginal winzig erscheint. Und doch hemmt sie mich, eine klare Haltung zu formulieren, die über aktivistische Slogans hinausgeht. Mein Wille, der Frau Recht und Freiheit über Körper und Kind zuzusprechen, kehrt sich schnell in Entmutigung um. Besonders dann, wenn mir klar wird, dass ich der bin, der nicht am längeren Hebel sitzt.

Man kann einen Paragrafen von zu Hause aus dem Sessel verteufeln. Man kann auch zustimmend nicken. Man kann aber auch den direkten Dialog mit der eigenen Partnerin suchen. Nur wer sich selbst als mündig einstuft, kann sich überhaupt erst eine fundierte Meinung zur 219a-Debatte bilden. Immerhin dreht es sich letztlich um Entscheidungen, die sowohl Frau als auch Mann Seite an Seite zu bewältigen haben. Dessen sollte auch ich mir bewusst werden.

"Mache ich mich mit meinen Gedanken angreifbar?"

Ich weiß nicht genau, wann, ich weiß nur, dass es passiert ist. Ich habe mich irgendwann aus einem Thema ausgeklinkt, das mir näher gehen sollte. Schließlich betreffen mich die Debatten um die Paragrafen 219a und 218 auch selbst. Ich möchte irgendwann Kinder haben, und ich weiß, dass das eine Entscheidung ist, die nur gemeinsam mit meiner Partnerin getroffen werden kann. Und ich weiß auch, dass es dabei mehr um sie geht, als um meine Wünsche und Vorstellungen, dass ihre Selbstbestimmung im Zweifel immer gewichtiger ist. Ein Kind wächst schließlich in ihrem Körper heran.

Till. © Foto: Elif Kücük

Trotz allem spüre ich eine Art der … Angst? Zumindest etwas, das ich nicht wirklich benennen oder rational begründen kann, aber davon abhält, mich auszudrücken. Obwohl ich sonst immer recht schnell öffentlich meine Meinung formulieren kann, fällt es mir hier plötzlich schwer. In mir drin weiß ich: Für mich gehört 219a weg, ich halte ihn für weltfremd; 218 halte ich für geradewegs frauenfeindlich. Doch das alles ist längst gesagt – von vielen Frauen mit Expertise. Braucht es da wirklich schon wieder die Meinung von mir, einem Mann, dazu? Und dann denke ich mir: Eigentlich schon, denn bisher werden wir öffentlich von Philipp Amthor repräsentiert.

Braucht es wirklich schon wieder die Meinung von mir, einem Mann, dazu?

Wo ich mir nicht ganz so sicher bin, um mehr ins Detail zu gehen: ob ich es für gut halten würde, wenn Schwangerschaftsabbrüche künftig ohne ein ärztliches oder psychologisches Vorgespräch stattfinden sollen dürften. Denn obwohl ich weiß, dass sehr viele Menschen in der Lage sind, reflektierte Entscheidungen zu treffen – und denen möchte ich das nicht absprechen –, weiß ich eben auch, dass sehr viele es nicht sind. Mache ich mich mit diesen Gedanken angreifbar? Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, ob das für eine Meinung reicht, also behalte ich das lieber für mich, sogar gegenüber anderen Männern.

Ja, vielleicht ist das feige. Ich glaube aber, dass es mehreren Männern da so wie mir gehen könnte und sie in der Folge auf Durchzug geschalten haben. Das soll das Schweigen nicht rechtfertigen. Im Entstehungsprozess dieses Artikels passierte jedenfalls etwas, das irgendwie befreiend für mich wirkte: Benjamin, Markus und ich sprachen immer wieder kurz über ganz unterschiedliche Gedanken, Standpunkte, Ideen, Gefühle. Sie mögen zwar aus rein männlichen, heteronormativen Lebensrealitäten entstanden sein, das bedeutet aber nicht, dass wir nicht empathisch abgeglichen haben – oder es zumindest versucht haben. Vielleicht geht es am Ende genau darum. Dass wir versuchen, zuhören, uns Mühe geben. Und damit zeigen, dass uns das Thema eben nicht egal ist.