Mitgliedern des Kunstkollektivs Peng! ist es gelungen, mit einer gefälschten Website eines fiktiven Bundesamts für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe Gespräche mit den CEOs und Menschen in anderen leitenden Positionen großer deutscher Unternehmen zu führen – darunter der Energiekonzern RWE, der Automobilhersteller BMW, der Immobilienkonzern Vonovia und die Klinikgruppe Helios, einer der größten Gesundheitskonzerne in Deutschland.

"Wenn die Politik die größten Herausforderungen nicht ernsthaft angeht, wenn weiterhin mit dem Mythos des ewigen Wachstums auf uns eingedroschen wird, müssen wir den Hörer des Wirtschaftsministeriums eben selbst in die Hand nehmen", heißt es auf der Website der Aktion Klingelstreich beim Kapitalismus.

Den Aktivist*innen ging es darum, als fingierte Behörde getarnt die Einstellungen von Wirtschaftsbossen und Vorständen zu radikalen Ideen für die wirtschaftliche Zukunft, zur Klimakrise und Grenzen des Wachstums zu erfragen. Wären die Unternehmen bereit, angesichts der drohenden Krisenszenarien ihr Wachstum zu regulieren?

Klingelstreich bei den CEOs dieses Landes

Seit Mittwochabend sind die Antworten der Unternehmer – ja, alles Männer – in Gedächtnisprotokollen hier nachzulesen. Für das internationale Sommerfestival Kampnagel in Hamburg hat Peng! außerdem eine Installation sowie eine Videoreportage produziert, durch die die Schauspielerin Pegah Ferydoni führt und in denen die Stimmen der Gesprächspartner nachgesprochen wurden. Die Antworten nennen die Aktivist*innen selbst "erstaunlich".

Könnte die Fleischindustrie auf vegan umstellen? Theoretisch möglich. Der Wohnungskonzern Vonovia spricht mit Peng! – wenn auch ganz vorsichtig – über Gemeinnützigkeit und Zuliefer*innen für die Automobilindustrie zeigen sich verständnisvoll dafür, dass es in Zukunft weniger Individualverkehr geben und dieser dann elektrisch sein sollte.

Der Geschäftsführer der Klinikgruppe Helios wiederum weicht bei Fragen zur Rekommunalisierung seiner Krankenhäuser aus. Und auch der RWE-Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz hält wenig von staatlichen Eingriffen. "Ich habe noch nie erlebt, dass Politik die Wirtschaft gestaltet hat", sagt dieser zu Peng!. Es ist auch Schmitz, der letztlich Verdacht schöpft und nachhakt, wer denn das ominöse Bundesamt eigentlich leite. Denn außer der Website habe er keine Informationen gefunden. "Ich glaube, Sie bekommen Ärger", so Schmitz am Telefon.

Grundlegend neue Ansätze des Wirtschaftens

Peng! hat laut eigener Angaben drei Tage vor Veröffentlichung die Unternehmen mit ihren Aussagen konfrontiert und sich zu erkennen gegeben. Bekannt wurde die Aktion des Kollektivs allerdings bereits Mitte Juli. Der ehemalige Chef der Bild-Gruppe Kai Diekmann hatte via Twitter auf die Homepage aufmerksam gemacht, das Bundeswirtschaftsministerium vermutete einen Betrugsfall. Recherchen von netzpolitik.org ergaben jedoch, dass es sich bei der Website um eine Kunstaktion handelt. Das Peng!-Kollektiv bekannte sich infolgedessen zu seinem Klingelstreich. Wie und warum gerade Diekmann, der heute eine PR-Agentur führt, die Website entdeckte, ist unklar.

Peng! räumt ein, dass sie keine Fachexpert*innen seien, dass viele der Fragen, die in dem Projekt behandelt werden, komplex seien und nicht einzeln beantwortet werden könnten. Vielmehr brauche es grundlegend neue Ansätze des Wirtschaftens. "Im gesellschaftlichen Diskurs für die Zukunft stehen wir da offenbar noch ganz am Anfang, und die Zeit ist knapp. Wir hoffen, dass wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung vorzeigen konnten." nm