Bunt, schrill, laut und knallig, aber auch leise, politisch und ästhetisch: Drag ist eine Kunstform, die Geschlechterrollen aufbricht, provoziert, unterhält und für viele Künstler*innen eine Möglichkeit ist, sich selbst auszudrücken. Mittlerweile ist Drag längst keine Randerscheinung mehr: Fernsehshows wie RuPaul's Drag Race erfreuen sich weltweit großer Beliebtheit, auf queeren Partys sind Drag-Performances häufig ein Muss und auf YouTube geben Dragqueens ihren Follower*innen Schminktipps.

Doch nur selten lassen die Künstler*innen sich dabei hinter die Fassade, hinter die vielen kunstvoll aufgetragenen Make-up-Schichten gucken: Der Londoner Fotograf Jan Klos findet besonders diesen Aspekt interessant und porträtiert in seiner Fotoserie Queens At Home Drag-Performer*innen in ihrem jeweiligen Zuhause. "Das Zuhause ist eine Erweiterung der eigenen Identität und ich wollte das sorgfältig gestaltete Drag-Alter Ego der alltäglichen Identität gegenüberstellen. Diese zwei Personas sollen sich vereinen und gemeinsam ein vielschichtiges Bild der Identität jedes Einzelnen geben. Im Wesentlichen verstehe ich die Serie als eine Reihe von Künstleratelier-Besuchen. Auf der Bühne ist es so, als würde man ein Kunstwerk in der Galerie sehen, aber wir können nie sehen, wo das Kunstwerk entstanden ist", erklärt der Fotograf gegenüber ze.tt.

Abseits der Bars, Clubs und Bühnen

Deshalb entschied er sich dazu, die Queens und Kings abseits der Bars, Clubs und Bühnen, mit denen sie meist assoziiert werden, zu fotografieren. Drag habe ihn, so Klos, schon immer fasziniert: "Vor allem, wie es eine Person verändern kann – nicht nur in Bezug auf das Aussehen, sondern auch in Bezug auf den Charakter", beschreibt er. Als sein Partner dann 2017 in die Drag-Szene einstieg, befasst Klos sich intensiver mit der Kunstform. Es dauerte eine Weile, bis er wusste, wie er diese Faszination künstlerisch umsetzen konnte: "Ich wusste, dass die meisten Künstler nicht scharf darauf sind, ihr Alter Ego mit ihrem alltäglichen Selbst zu vermischen, aber das ist das Projekt, das ich machen möchte", so Klos.

Und so fing er an, verschiedene Künstler*innen anzufragen, denn er wollte sie unbedingt in ihrem Zuhause ablichten – an einem Ort, an dem man sie sonst nicht wirklich erlebt. Einige erklärten sich bereit und so fing der Fotograf mit Queens At Home an. Die Fotoshootings laufen meist sehr ähnlich ab: "Es ist sehr oft so, dass wir uns beim Shooting zum ersten Mal treffen, dann ist es interessant, die Geschichten anzuhören, wie die Person zu Drag gekommen ist und wie sie dazu steht. Ich schaue ihnen dann oft dabei zu, wie sie sich schminken, aber die Kamera bleibt dabei noch in der Tasche, denn die Verwandlung an sich interessiert mich nicht. In der Zwischenzeit richte ich meist Licht und Kamera ein und versuche, den perfekten Ort für das Porträt zu finden", sagt Klos.

Du kannst alles werden, was du willst.
Jan Klos

Dabei kommt Klos den Performer*innen sehr nah: Sie wirken selbstsicher und gleichzeitig nahbar, fast schon verletzlich, wenn sie in ihrem Wohnzimmer auf dem Teppichboden sitzen oder im spießig anmutenden Kleingarten vor einer Wäscheleine posieren. Obwohl sie allesamt in Drag porträtiert werden, bekommt man als Betrachter*in das Gefühl, einen kleinen Blick hinter die Fassade werfen zu dürfen und den Künstler*innen so ein Stück näher zu kommen.

Jan Klos findet das heilsam: "Ich verstehe Drag als eine Form der modernen Therapie. Du kannst alles werden, was du willst und was befreiend und empowernd ist", erklärt er.

Weitere Arbeiten von Jan Klos findet ihr auf seiner Webseite und auf Instagram.