Vom 24. April bis zum 23. Mai 2020 begehen Muslim*innen weltweit den Ramadan. Im Fastenmonat wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Nahrung und Getränke verzichtet. Nach dem Iftar, dem Fastenbrechen, das traditionell gemeinsam mit Freund*innen und Familie gefeiert wird, gehen viele Muslim*innen in die Moschee zum Nachtgebet. Doch in diesem Jahr wird vieles anders sein.

Wegen der Corona-Pandemie müssen einige der täglichen Rituale entfallen. So bleiben zum Beispiel die Moscheen geschlossen. Es wird keine Gemeinschaftsgebete geben. Die Ausgangsbeschränkungen und das Kontaktverbot machen die physische Zusammenkunft unmöglich. Vieles, was den Ramadan ausmacht, kann damit nur eingeschränkt stattfinden. Wir haben drei junge Muslim*innen gefragt, wie sie damit umgehen.

Nizar, 21, studiert Wirtschaftsinformatik in Darmstadt

"Ich bin vor drei Jahren aus Marokko nach Darmstadt gekommen. Den Ramadan habe ich deshalb die letzten Jahre schon nicht mit der Familie, sondern mit Freund*innen verbracht. Wir haben uns immer abends zum Essen getroffen. Dieses Jahr habe ich sogar das Glück, drei marokkanische Mitbewohner zu haben. Mit denen kann ich feiern, ohne das Kontaktverbot zu brechen.

Was mir in Corona-Zeiten am meisten fehlen wird, ist der Gang zur Moschee. Normalerweise gehe ich nach dem Fastenbrechen zum Nachtgebet. Das wird dieses Jahr entfallen. Meine Moschee bietet keine Onlineangebote an, auf die ich zurückgreifen könnte. Auf YouTube gibt es aber umfangreiches Material zum Ramadan mit Tipps, wie die Leute sich verhalten sollen. Es gibt auch einige Foren, in denen die Leute sich informieren können und entsprechende Fragen stellen können. Das hilft.

Einsamkeit ist ein großes Thema. Von der Familie getrennt zu sein, macht es vielen schwer, durchzuhalten.
Nizar

Nachts, nach dem Iftar und dem Nachtgebet, werde ich mit meiner Familie in Marokko telefonieren. In Marokko startet das Leben im Ramadan eigentlich zu dieser Zeit. Nach dem Fastenbrechen, von 22 bis 2 Uhr morgens, sind die Straßen voll. Dieses Leben werden viele vermissen.

Ich habe mich mit ein paar Freund*innen unterhalten und sie gefragt, wie es ihnen diesen Ramadan ergehen wird. Eine meinte, dass das Fasten für sie schwieriger sein würde, weil sie sich tagsüber nicht draußen ablenken kann. Einsamkeit ist ein großes Thema. Von der Familie getrennt zu sein, macht es vielen schwer, durchzuhalten."

Özlem, 32, arbeitet als Technikerin bei der Telekom in Wanne-Eickel

"Das wird ein einsamer Ramadan. Ich werde mit meinem Mann und meinen zwei Kindern feiern, ohne den Rest der Familie. Für mich ist das katastrophal. Das Zusammenkommen und gemeinsame Essen mit Familie und Freund*innen ist das Schönste am Ramadan. Das fällt dieses Jahr komplett aus und das werde ich auch am meisten vermissen. Man muss sich das wie Weihnachten ohne Familie vorstellen.

Ich habe eine mega große Familie. Meine Onkel und Tanten, meine Großeltern in der Türkei, ich werde sie alle dieses Jahr nicht sehen können. Ältere Familienmitglieder zu besuchen, hat eigentlich Tradition. Mein Vater und mein Bruder arbeiten bei der Bahn und sind täglich von vielen Menschen umgeben. Da möchten wir vorsichtig sein und meiden dementsprechend auch den Kontakt.

Die Oma haben wir jetzt auch mit Internet ausgestattet. Sie ist schon über 80.
Özlem

Vor allem das Zuckerfest zum Abschluss des Ramadan wird eine traurige Angelegenheit. Normalerweise wird das groß gefeiert. Dieses Jahr werden wir nur die Kinder beschenken. Für unsere Verwandten haben wir zwar schon Geschenke besorgt, aber die müssen wir verschicken, ohne persönliche Übergabe.

Wir wollen versuchen, auf digital umzustellen. Mit meinen Verwandten aus der Türkei haben wir vereinbart, dass wir zum Fastenbrechen Videoanrufe starten. Da wird dann jeden Abend eine andere Tante angerufen. Die Oma haben wir jetzt auch mit Internet ausgestattet. Sie ist schon über 80. Am Anfang hatte sie noch Schwierigkeiten, mit dem Handy umzugehen und wusste nicht, wie sie das Telefon halten soll. Inzwischen klappt es aber ganz gut. So können wir wenigsten virtuell Zeit miteinander verbringen."

Yasser, 30, ist Marketingmanager bei der nationalen Eisenbahn in Salé

"Ich wohne in Salé in Marokko. Unsere Ausgangssperre wurde gerade bis zum 20. Mai verlängert. Der Ramadan wird also dieses Jahr für uns alle hier sehr anders ablaufen. Im Ramadan geht es vor allem um Gemeinschaft und das Beisammensein mit der Familie. Dieses Jahr werde ich alleine mit meiner Frau feiern, ohne Besuche bei unseren Eltern. Wir werden aber auf WhatsApp und andere soziale Medien umsteigen. Seit Corona ausgebrochen ist, nutzen wir die sowieso schon viel mehr, um uns auszutauschen. Den Iftar über einen Videoanruf zu machen, wird sich komisch anfühlen, aber das ist die einzige Möglichkeit.

Ein Vorteil dabei, zu Hause zu bleiben, ist, dass wir uns tagsüber draußen nicht verausgaben. Wir verbrauchen weniger Energie als bei der Arbeit und können uns mehr ausruhen. Das macht das Fasten einfacher.

In der Stadt wird eine ganz andere Atmosphäre herrschen als sonst zu dieser Zeit. Die Leute machen normalerweise Großeinkäufe auf den Märkten, den Souks, für den Iftar. Sie sind oft überfüllt. Deshalb ist das Einkaufen für viele im Moment sehr stressig. Sie haben Angst vor dem Virus und wollen sich nicht anzustecken.

Ramadan kommt und geht jedes Jahr. Das Leben und die Gesundheit sind wichtiger.
Yasser

Es gibt aber auch Menschen, die sich nicht an die Ausgangsbegrenzungen halten. Sie glauben, dass der Ramadan wichtiger sei, als das Gebot der sozialen Distanzierung. Das sehe ich nicht so. Ramadan kommt und geht jedes Jahr. Das Leben und die Gesundheit sind wichtiger."