Ausnahmezustand in Teheran. Wie immer wenn die Fußballnationalmannschaft spielt, beherrschen die Farben grün, weiß und rot das Stadtbild. Der Gegner an diesem Tag heißt Syrien. Mehr als 60.000 Menschen freuen sich im Azadi Stadion auf das letzte Gruppenspiel der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft.

Es könnte ein besonderer Abend für das ganze Land sein – und doch bleibt die eine Hälfte der Bevölkerung im Abseits stehen. Wieder einmal dürfen iranische Frauen nicht Teil des Länderspiels sein. Seit 1982, wenige Jahre nach der islamischen Revolution, wird ihnen der Zutritt in die Stadien verwehrt.

Die Atmosphäre in einem Stadion sei nichts für das weibliche Geschlecht

Eine dieser Frauen ist Soraya*. Sie spielt selbst leidenschaftlich gerne Fußball, ist Fan des FC Persepolis, des erfolgreichsten Klubs des Landes, und kann jeden einzelnen der Nationalspieler seiner Position zuordnen. In einem richtigen Fußballstadion war sie noch nie. Iranischen Frauen ist es untersagt, fremde Männerkörper anzuschauen. Gleichzeitig sei die Atmosphäre in den Stadien ohnehin nichts für das weibliche Geschlecht, so begründet der fundamentalistische Wächterrat das Verbot.

Trotzdem versuchen viele Iranerinnen sich dem zu widersetzen. "Ich kenne Mädchen, die es geschafft haben ins Stadion zu kommen", so Soraya. Nicht selten wagen sie den Versuch, sich in der Masse unter Mützen und Schals versteckt ins Stadion zu schmuggeln. Spätestens bei der Sicherheitskontrolle werden aber die meisten ertappt und verhaftet.

Ich kenne Mädchen, die es geschafft haben ins Stadion zu kommen."

Bis kurz vor Anpfiff des Spiels gegen Syrien sah es so aus, als würde es diesmal keine Verhaftungen geben. Als die Ticketvergabe online freigeschaltet wurde, waren erstmals separate Karten für Frauen im Angebot. In Sekundenschnelle waren sie ausverkauft, während die Seite unter dem Besucherinnenansturm zusammenbrach. Hatte sich der Druck der Frauenbewegung ausgezahlt?

Sogar der Kommentator des Spiels forderte live ein Umdenken

In den Wochen zuvor brachte eine landesweite Kampagne neuen Schwung in die Debatte. Unter Hashtags wie #openstadium hatten Tausende Iranerinnen die Fußballrevolution gefordert. Auch Soraya postete fleißig auf Instagram, dem einzigen nicht verbotenen sozialen Netzwerk des Landes. Abgeordnete wie Fatemeh Hosseini und Parvaneh Salahshuri solidarisierten sich.

Selbst männliche Profis wie der iranische Nationalmannschaftskapitän Masoud Shojai und der ehemalige Bayern-Spieler Ali Karimi forderten den Präsidenten zum Handeln auf. Bisher war es dem kürzlich wiedergewählten Hassan Ruhani in mehreren Anläufen nicht gelungen, den religiösen Wächterrat zu überzeugen. Alle Versuche des Sportministeriums wenigstens Familientribünen einzuführen, scheiterten an der religiösen Oberinstanz.

Doch auch dieses Mal führte der gesellschaftliche Druck zu keiner Revolution. Kurz nach Verkaufsstart der Tickets entschuldigte sich der iranische Fußballverband für das Versehen. Gäste- und Heimkarten waren verwechselt worden. Iranische Frauen, die trotzdem mit ihren Tickets zum Stadion kamen, wurden unter Protesten abgewiesen.

Weibliche Fans der syrischen Mannschaft mussten die Verantwortlichen hingegen in den Gästeblock führen. Ausländischen Stadionbesucher*innen darf der Iran nämlich keine Vorschriften machen. "Nur uns dürfen sie diskriminieren, da hat die FIFA dann keine Einwände", so Soraya. Trotz Protest von vielen Seiten, weigert sich der internationale Fußballverband Maßnahmen gegen die islamische Republik zu ergreifen. Doch der 2015 von 190 iranischen Aktivistinnen verfasste Brief an das Fußballkomitee wird nicht der letzte gewesen sein.

Der Anfang ist gemacht. Beim Spiel gegen Syrien erlaubte das Sportministerium nach der Ticketpanne weiblichen Volksvertreterinnen erstmals Zutritt.

Gleichzeitig halten die Bilder feiernder syrischer Frauen im Gästeblock die Debatte am laufen. Kurz vor Spielbeginn konnte sich selbst der Kommentator nicht zurückhalten. "Es ist ein Jammer, dass iranische Frauen nicht dabei sein dürfen, während Frauen aus Syrien und anderen Ländern hier sind", klagte er an.

Der langjährige Kampf der Frauen steht vor einer entscheidenden Phase. Das Sportministerium hat eine erneute Prüfung in Auftrag gegeben. Geht es nach Soraya, wird dies die letzte sein, bis ihr Traum vom Stadionbesuch endlich in Erfüllung geht.

*Name von der Redaktion geändert