Die rechtsextreme NPD rief kürzlich dazu auf, bundesweit sogenannte Schutzzonen zu schaffen. Auf der Projekt-Webseite rät die Partei, Telefonketten einzurichten, als "Bürgerwehren die Stadt zu bestreifen" und Rückzugsräume zu schaffen, indem etwa Läden sich als Schutzzone kennzeichneten.In einem YouTube-Video zeigen sich Rechtsextreme in Schutzwesten mit stilisiertem Logo und Aufschrift in der Berliner S-Bahn. Diese sogenannte S-Bahn-Streife sei erforderlich, weil sie immer wieder von Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln hören würden und die Sicherheitskräfte und Behörden maßlos überfordert seien. Als Hauptverantwortliche für die Gewalt sehen die Rechtsextremen Menschen mit Migrationshintergrund. Was genau sie tun wollen, würde sich ihre Befürchtung bestätigen, lassen sie offen.

Auf einem Foto des Landeschefs der Berliner NPD, das kürzlich auf Facebook hochgeladen wurde, geben die Rechtextremen an, mit einem Bus in Berlin-Marzahn unterwegs gewesen zu sein, "für die Sicherheit unserer Frauen und Kinder". Bisher ist unbekannt, ob die Rechtsextremen tatsächlich auf Streife gingen oder nur posierten.

Die Polizei Berlin gab auf Nachfrage an, dass bisher niemand gesichtet wurde und keine Anzeigen eingingen, welche die Präsenz bestätigen würden. Doch wie ist die Rechtslage bei selbstgegründeten Bürgerwehren?

Darf man eine Bürgerwehr gründen?

Ja. Aber es kommt darauf an, was man damit vorhat. Das Gewaltmonopol in Deutschland liegt allein beim Staat und damit obliegt allein der Polizei, den Schutz der Öffentlichkeit zu gewährleisten und Gefahren abzuwehren. Eine Bürgerwehr hat dafür keine Legitimation, Selbstjustiz ist verboten. Eine selbsternannte Bürgerwehr bewegt sich deshalb in einer Grauzone, wie der Berufsverband der Rechtsjournalisten schreibt.

Was wollen solche Bürgerwehren dann?

Eine Bürgerwehr begründet ihr Auftreten meist damit, dass der Staat dabei versagt habe, für Recht und Ordnung zu sorgen und man selbst etwas unternehmen müsse, wie auch im aktuellen Fall der NPD.

In Deutschland tritt das Phänomen der Bürgerwehren seit 2015 häufiger auf, als viele Geflüchtete ins Land kamen. Meist entstehen sie aus dem rechten Milieu. Wie viele aktive Bürgerwehren es insgesamt im Land gibt, ist unklar. Auf eine Kleine Anfrage der Linken an die Bundesregierung 2016 (PDF) gab diese an, von damals acht Städten zu wissen, in denen sich Bürgerwehren aus rechten Kreisen formierten. Sie schrieb zum Zweck solcher Präsenzen: "Rechtsextremisten nutzen Aufrufe und Ankündigungen zur Bildung einer ,Bürgerwehr' als propagandistisches Mittel, um mediale und öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die rechtsextremistischen Akteure geben in diesem Zusammenhang vor, die Interessen der Mehrheit des Volkes zu vertreten, stellen bestimmte Minderheiten pauschal als Sicherheitsrisiko dar und damit das staatliche Gewaltmonopol in Frage."

Propaganda kann aber auch in reale Gewalt münden, wie ein Fall aus dem sächsischen Freital zeigt: Eine Bürgerwehr hatte dort 2016 mehrfach eine Unterkunft für Geflüchtete mit Pyrotechnik angegriffen. Fünf Mitglieder wurden festgenommen, der Vorwurf lautete "Gründung einer terroristischen Vereinigung".

Der Begriff Bürgerwehr stammt noch aus Zeiten, in denen militarisierte Gruppen teilweise bewaffnete Revolutionen anzettelten. Das ist heute nicht mehr der Fall, dennoch wird Bürgerwehr immer noch gerne als Kampfbegriff genutzt, manchmal nennen sich solche Zusammenschlüsse auch Bürgerschutz.

Was darf eine Bürgerwehr – und was nicht?

Eine Bürgerwehr darf gemeinsam auf Streife gehen, aber: sich nicht uniformieren und polizeiähnlich auftreten. Sie darf, wie jeder Mensch in Deutschland, legale Verteidigungsmittel wie Pfefferspray und Gummiknüppel mit sich führen, aber: diese nur zur Selbstverteidigung einsetzen.

Alle Bundesbürger*innen sind laut Paragraf 127 der Strafprozessordnung Inhaber*in des sogenannten Jedermannsrecht. Darin ist festgehalten, dass alle jemanden festhalten dürfen, der*die auf frischer Tat ertappt wurde oder sich auf der Flucht befindet, bis die Polizei eintrifft, aber: dabei muss verhältnismäßig vorgegangen werden, Schlagen kann Bürgerwehrmitglieder wegen Körperverletzung vor Gericht bringen, irrtümliches Festhalten könnte eine Anklage wegen Freiheitsberaubung nach sich ziehen.

Christian Zorn von der Zentralstelle für Prävention der Polizei Berlin rät nicht nur deshalb davon ab, sich bei einer Bürgerwehr zu engagieren: "Sie sind häufig subjektiv, übermotiviert, unprofessionell und von eigenen Interessen geleitet." Häufig würden sie laut Zorn "in ein Denunziantentum übergehen", das sich vor allem Fremden gegenüber entlade.

Wie geht es im Fall der NPD-Bürgerwehr weiter?

Die Bundespolizei prüft laut Berliner Morgenpost derzeit, ob durch das in Umlauf gebrachte Video aus der S-Bahn ein Straftatbestand vorliegt. Die S-Bahn distanziert sich von der Bürgerwehr, das Video sei ohne Drehgenehmigung entstanden.

Wäre die Bürgerwehr tatsächlich mit den orangenen Leibchen unterwegs, wäre dies zumindest ein Verstoß gegen das Uniformierungsverbot. Ein Sprecher der Berliner Polizei sagt auf ze.tt-Anfrage, dass sie Bürgerwehren, egal aus welcher politischen Richtung, ablehne. Jedoch stelle der Fall bisher vermutlich keine Straftat dar. Reagiert wird laut Polizei vor allem deshalb nicht, weil bisher niemand auf Streife in Berlin gesichtet wurde.

Ob Berlin gegen die Bürgerwehr reagieren möchte, wie etwa Würzburg 2013 im Fall der Bürgerwehr Lupus, ist nicht bekannt. Ein Sprecher der Senatsverwaltung Berlin teilt auf ze.tt-Anfrage mit, die Stadt lehne solche Aktionen grundsätzlich ab und bewerte den Aufruf der NPD als "Versuch, der eigenen schwindenden Bedeutung mit möglichst provokanten Aktionen zu begegnen".