Wunderst du dich auch manchmal, wie zur Hölle dein*e Chef*in eigentlich den Job bekommen konnte? Keine Frage: Es gibt Menschen, die sollten ohne Aufsicht oder Coaching keine Teams leiten. Schlechte Führung kann mitunter gravierende Folgen haben, von finsterer Stimmung über Performance-Einbußen und Produktivitätsverlust bis hin zu massiver Personalfluktuation, weil Mitarbeiter*innen den Wahnsinn einfach nicht mehr aushalten. Von gesundheitlichen Folgen für die dauergestressten Angestellten mal ganz abgesehen.

Doch neben all den unangenehmen Nebenwirkungen haben schlechte Vorgesetzte einen einzigen Vorteil: Sie sind als negative Vorbilder so einprägsam, dass nachrückende Führungskräfte es oft deutlich besser machen. Das jedenfalls haben jetzt Wissenschaftler*innen der University of Central Florida herausgefunden.

Moral und Integrität sind entscheidend

Sie haben in einer Studie erforscht, wie sich erlebte schlechte Führung auf eigenes Führungsverhalten auswirkt. Dazu haben die Wissenschaftler*innen über Jahre hinweg mehrere Experimente durchgeführt und dabei die unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen von Vorgesetzten untersucht. Ergebnis: Diejenigen, die selbst schlechte Führung erlebt hatten, distanzierten sich eher bewusst davon und waren freundlicher zu ihren eigenen Angestellten.

"Sie wiederholen dieses Muster später mit eigenen Angestellten nicht, sondern werden oft sogar außergewöhnlich gute Teamleader", sagt Management-Experte Shannon Taylor, der an der Studie beteiligt war. Das habe unter anderem mit Moralvorstellungen und Integrität zu tun. Taylor: "Sie können ihre eigenen Erfahrungen reflektieren und neu einordnen, sodass diese ihr Verhalten nicht negativ beeinflussen – und sie tatsächlich sogar zu besseren Führungskräften machen." Wer angeschrien wird, wird also selbst nicht zwingend zum cholerischen Brüllmonster.

Sterben schlechte Vorgesetzte also aus?

Unglücklicherweise bedeutet das im Umkehrschluss jedoch nicht, dass schlechtes Führungsverhalten dadurch automatisch ausgerottet würde. Es gibt leider noch immer genug Leute mit Personalverantwortung, die "nicht anschreien ist Lob genug" für eine valide Führungsmaxime halten. Aber langsam würden Unternehmen laut Taylor dazu lernen und beispielsweise gezielt Coachings anbieten. Denn gute Führung, das ist inzwischen bekannt, kommt nicht von selbst allein mit der Beförderung, sondern will gelernt sein.

Möglicherweise übernimmst du ja in Zukunft auch Führungsaufgaben und leitest ein Team – und machst es dann besser. Viel besser. Okay, zugegeben: Das hilft jetzt in diesem Moment nicht wirklich gegen eine*n Chef*in aus der Hölle – aber es zeigt, dass nicht alles verloren ist. Oder wie Taylor sagt: "Unsere Studie ist ein Silberstreif am Horizont für alle, die im Job schlecht behandelt werden."