Batgirl, Supergirl, She-Hulk – die Welt der Superheldinnen ist voller Kopien. Statt komplett neue Charaktere zu entwerfen, nehmen die Verlage ihre männlichen Stars und ändern das Geschlecht. Sind sie einfach nur faul oder können trotzdem interessante Heldinnen daraus werden?

Squirrel Girl ist eine Superheldin, die schnell klettern und mit Eichhörnchen sprechen kann. Klingt wie ein Witz? Tatsächlich besiegt das Mädchen die mächtigsten Feinde, die das Marvel-Universum zu bieten hat: Thanos, Doktor Doom und auch Galactus, den Planetenfresser. Sie redet einfach so lange auf ihn ein, bis er sich davon überzeugen lässt, die Welt nicht zu verschlingen.

Lob für die Kopie

Die Comic-Welt bietet viele ungewöhnliche Superheldinnen wie Squirrel Girl, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Stattdessen schaffen die großen Verlage aber lieber weibliche Pendants ihrer großen Helden: Batgirl, Supergirl, Spiderwoman, She-Hulk… Zuletzt traf es Göttersohn Thor und Tony Stark, besser bekannt als Iron Man. Sein Part wird nun von Riri Williams übernommen, einer fünfzehnjährigen Afro-Amerikanerin. "Ihr Gehirn ist vielleicht sogar ein bisschen besser als seines", berichtete Autor Biran Michael Bendis in der Time.[Außerdem auf ze.tt: Der neue Iron Man ist ein 15-jähriges schwarzes Mädchen]

Lebt ein Mann da seine Frauenfantasien aus?

Schön! Eine Heldin, deren hervorstechendes Merkmal ihre Intelligenz ist und nicht ihre Brüste oder ihr Hintern, wie es bei vielen früheren Comics der Fall war.

Aber wäre es nicht besser, gleich eigene Charaktere zu kreieren statt männliche Helden zu kopieren?

Nicht unbedingt, findet Lara Keilbart vom Feministischen Comic Netzwerk: Gerade bekannte Helden wie Thor oder Iron Man könnten Aufmerksamkeit auf die Frauen lenken. Dabei komme es besonders auf die Kreativteams an, die die Geschichten entwerfen: "Wichtig ist: Wer steckt dahinter, wer schreibt diese Charaktere? Wenn dahinter wieder nur ein Mann steht, der seine Frauenfantasien auslebt, dann brauche ich auch keine female Thor."

Welt retten mit Kind im Tragetuch

Bisher gibt es aber nur wenige Frauen in der Comic-Szene. Das Problem aus Sicht von Keilbart: Autorinnen und Zeichnerinnen finden kaum Zugang. "Der Nachwuchs ist eigentlich da. Aber es fehlt der Mut oder die Überzeugung, diese Frauen ins Boot zu holen."

Trotzdem wird die Comic-Welt immer bunter: Autorin Gwendolyn Willow Wilson machte aus Miss Marvel die erste muslimische Superheldin Amerikas mit pakistanischen Wurzeln. Spider-Woman wurde schwanger und kämpft jetzt damit, Vollzeit-Heldin und Vollzeit-Mutter in einem zu sein. Und mehrere Charaktere wie Batwoman, Green Lantern oder Iceman von den X-Men haben sich als homosexuell geoutet.

Das ist auch deshalb faszinierend, weil viele dieser Charaktere am Anfang eine ganz andere Ausrichtung hatten. Batwoman beispielsweise wurde eigentlich nur als Geliebte von Batman geschaffen – um die Gerüchte zu beenden, dass dieser eine schwule Beziehung mit Robin habe. 2006 outete Batwoman sich als lesbisch. Sie lebt in einer Langzeit-Beziehung mit Detective Maggie Sawyer von der Gotham City Police.

Superheldin mit Doppelkinn

Klar: Mehr Vielfalt spricht eine neue Zielgruppe an. Und das bedeutet für die Verlage mehr Geld. "Ich glaube schon, dass die Verlage sich verändern wollen", sagt Keilbart.

Allerdings trauen sich weniger bekannte Publisher mehr, gerade wenn es darum geht, Frauen oder anderen, nicht-stereotypen Figuren eigene Serien zu widmen. So, wie es Valiant bei Faith getan hat. Während die meisten Superhelden durchtrainierte, muskulöse Körper zur Schau stellen, ist Faith dick. Als sie noch Teil eines Teams war, "wurde vehement Body-Shaming betrieben", erzählt Keilbart. "Da gab es immer Witze über ihr Dicksein."

In der Neuauflage dagegen ist Faith' Gewicht kein Thema mehr. Aber natürlich ist es offen sichtbar: Wie es sich für eine Superheldin gehört, trägt sie einen hautengen Anzug, und wenn sie zu Hause ist, läuft sie auch mal in Unterwäsche durch die Wohnung. So vermittelt sie: Dicksein ist normal, man muss nicht ständig darüber reden. "Wir brauchen Body-Types, die abseits von der Norm sind", sagt Keilbart.

Und das Konzept funktioniert: Die erste, limitierte Serie wurde fünf Mal gedruckt und war jedes Mal schnell ausverkauft. Für die US-Präsidentschaftswahlen im November hat sich der Verlag etwas Besonderes ausgedacht. In einer speziellen Ausgabe arbeitet Hillary Clinton mit Faith zusammen.

Hass, Hass, Hass

Aber nicht alle Fans sind glücklich über solche Veränderungen. Das gilt nicht nur in der klassischen Comic-Welt, ein aktuelles Beispiel ist das Remake von Ghostbusters. Darin schlüpfen Frauen in die Rollen der Geisterjäger. Darstellerin Leslie Jones bekam auf Twitter so viele Hasskommentare, dass sie das Netzwerk zwischenzeitlich verließ.

Viele männliche Fans liebten ihre Helden, da sei es schwierig, mit Veränderungen umzugehen, erklärt Keilbart. Außerdem glaubt sie, dass die Hasser Angst haben: "In ihren Zirkeln konnten sie ihre Fantasien ausleben. Die Welt konnte sich ändern, Frauen kamen in Führungspositionen und so weiter. Aber in ihrer kleinen Nerdwelt waren Frauen noch die, die man angucken durfte. Wenn jetzt Frauen da reinkommen, fühlen sie sich bedroht."

Bei manchem schlägt die Angst schließlich in Aggression um. Glücklicherweise geben die Verlage nicht nach. Damit in der Comic-Welt nicht nur die Farben bunt sind.

Wollt ihr noch tiefer in das Thema Superheldinnen in Comics einsteigen? Dann schaut euch hier das Interview mit Lara Keilbart an.