Die Bravo Girl bebildert einen Artikel über sexualisierte Gewalt mit einer weißen Frau, die von einem Schwarzen Mann festgehalten wird. Damit reproduziert sie ein jahrhundertealtes rassistisches Stereotyp. Ein Kommentar

Eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, kniet auf dem Boden. Zwei Hände liegen auf ihren Schultern, halten sie fest. So bebildert die Bravo Girl im Dr. Sommer Girls Talk einen Artikel über sexuellen Missbrauch. Was auffällt: Die junge Frau ist weiß, der gesichtslose Mann, von dem der Übergriff ausgeht, Schwarz. Ein Stockphoto, mit dem sich die Bravo Girl einfügt in die Reihe der Magazine und Zeitungen, die mit Bildern von übergriffigen Schwarzen Männern auf weiße Frauen rassistische Stereotype aufrecht erhalten.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) Bund e.V. hatte in der vergangenen Woche auf Twitter auf den Artikel aufmerksam gemacht. Der Versuch der Bravo Girl, neben Fotostrecken und Tipps, um den Traumtypen rumzukriegen, auch für ernste Themen zu sensibilisieren, ist prinzipiell lobenswert. Aber nicht so. Die Bebilderung des Artikels schließt an eine Jahrhunderte alte Tradition kolonial-rassistischer Stereotype an. "Besonders problematisch ist es, wenn so ein Bild in einem Jugendmagazin stattfindet", erklärt Tahir Della. Er ist Sprecher des ISD Bunds. Die Zeitschrift ziele auf eine junge, beeinflussbare Zielgruppe ab, die unter Umständen weniger kritisch mit diesen Bildern umgehen würde. So bleiben Stereotype über Generationen hinweg erhalten.

Was ist problematisch an dem Bild des Schwarzen Täters?

Tahir Della erklärt, dass es ein festes Stereotyp über das Verhältnis von Schwarzen Männer zu weißen Frauen gebe. Während die ersten als sehr sexuell aktiv, gewalttätig und übergriffig gelten, werden weiße Frauen als unschuldig, beschützenswert und von Fremden prinzipiell gefährdet dargestellt. Diese Geschlechterstereotype sind eng mit Rassismus verwoben, so Tahir Della: "Mit der Rassifizierung von Schwarzen Menschen gehen auch immer spezielle Geschlechterrollen einher."

"Es ist ein Bild kultiviert worden von dem Schwarzen, übersexualisierten Mann als Täter und von der weißen Frau als sein Opfer", sagt er. Es sei gefährlich, dieses Bild aufrecht zu erhalten, da es lediglich rassistische Vorurteile bestätige und nicht der Realität entspreche, erklärt Tahir Della weiter. "Die Mehrheit der Bevölkerung sind weiße Menschen, die Mehrheit der Vergewaltigungen finden im privaten, persönlichen Umfeld der Frauen statt und dementsprechend sind es überwiegend weiße Menschen, die Vergewaltigungen begehen." Durch den Fokus auf eine Gruppe, die in Deutschland eine Minderheit bilde, würde die Verantwortung für sexualisierte Gewalt verschoben. Plötzlich wirken Schwarze Männer und Männer of Color bedrohlicher, während Übergriffe, die von weißen Männern ausgehen, in den Hintergrund rücken. Statistische Zahlen gibt es hierzu keine, da Hautfarbe kein Kriterium ist, das in den Polizeistatistiken gelistet wird. Allerdings überwiegt der Anteil der deutschen Täter klar über die der nicht-deutschen.

Ein Stereotyp aus dem Kolonialismus

Schon seit den Ursprüngen der sogenannten Rassenlehre, die bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen, ging diese mit geschlechterspezifischen Vorurteilen einher. Schwarze Menschen galten als besonders sexuell aktiv, naturverbunden, triebhaft. "All diese Bilder sind entwickelt worden, um die Unterwerfung Schwarzer Menschen zu rechtfertigen. Sie sind prozesshaft immer weiter reproduziert worden – bis in die Gegenwart", so Tahir Della. "Es ist klar, dass wir mit diesen kolonial-rassistischen Bildern endlich brechen müssen."

Es ist klar, dass wir mit diesen kolonial-rassistischen Bildern endlich brechen müssen.
Tahir Della

Durch die Versklavung Schwarzer Menschen und der dadurch entstehenden Notwendigkeit, ihre Unterwerfung zu rechtfertigen, wurden sie im Kolonialismus als grenzüberschreitende, gefährliche, triebgesteuerte, unzivilisierte Andere dargestellt. Vor allem in der Hochzeit des Kolonialismus, im 19. Jahrhundert, spielte dabei die Angst vor sexueller Grenzüberschreitung eine besondere Rolle. "Ungezügelte Sexualität galt im bürgerlichen Selbstverständnis als Bedrohung der modernen Zivilisation, und diese wurde auf Schwarze projiziert und pathologisiert", so die Geschlechterforscherin Anette Dietrich in der ZEIT.

Die Rechtfertigungsversuche für eine Überlegenheit der Europäer*innen über Kolonialstaaten machte insbesondere vor den Wissenschaften nicht halt. "Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen", schrieb der Philosoph Immanuel Kant und unterstellte Schwarzen Menschen Faulheit, Dummheit und unzivilisiertes Verhalten. Sein Zeitgenosse Hegel schreib in Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Schwarze Menschen würden sich durch "Wildheit und Unbändigkeit" auszeichnen und sprach ihnen gar das Menschsein ab.

Parallel zur Abwertung des vermeintlich Anderen galt es, eine sogenannte Reinheit der eigenen Nation zu behaupten. Frauen wurden dabei als "Mütter der Nation" stilisiert und zu schützenswerten Wesen verklärt. Ihre Sexualität war somit – wie es das Christentum vorgab – nur als Mittel zum Zweck, nämlich zur Zeugung von Kindern im Rahmen einer Ehe, gestattet. Eine vermeintliche Bedrohung der sogenannten eigenen Frauen durch die übergriffigen Männer der Gegenseite legitimierte während des Kolonialismus die Versklavung Schwarzer Menschen, in Kriegen die Intervention und als aktuelles Beispiel nach der Silvesternacht 2016 die Forderung nach der Abschottung gegen Geflüchtete. "Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Deutschland das Bild inszeniert, dass die Schwarzen Besatzungssoldaten der Französischen Armee über die deutschen Frauen herfallen würden", gibt Tahir Della ein weiteres Beispiel aus der deutschen Vergangenheit. Man sprach damals von der "Schwarzen Schmach am Rhein".

Stille beim Presserat

Ein wirkungsvolles Werkzeug, um gegen diskriminierende Bilder in Artikeln anzugehen, gib es laut ISD Bund nicht. In der Vergangenheit habe man die Erfahrung gemacht, dass es wenig bringe, rassistische Bebilderungen dem Presserat zu melden, erzählt Tahir Della. Darum fokussiert sich der Bund auf die öffentliche Kritik von Artikeln und macht die Kritik in den Sozialen Medien öffentlich, "in der Hoffnung, dass das irgendwann auch in solche Strukturen eingeschrieben wird wie dem Presserat, der eigentlich dafür zuständig wäre."

Auf Anfrage von ze.tt entschuldigte sich die Redaktion von Bravo Girl für die Bildwahl. Man habe mit dem Beitrag auf ein sensibles Thema aufmerksam machen wollen. "Dabei haben wir das Bild unbedacht gewählt. Damit haben wir einen Fehler gemacht. Wir entschuldigen uns hierfür und werden in Zukunft noch stärker darauf achten, auch durch unsere Bildsprache zu zeigen: Bravo steht für Toleranz und Offenheit, wir lehnen Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art ab." Welche Maßnahmen die Redaktion plant, um rassistische Bildsprache in Zukunft zu vermeiden, ist nicht bekannt.