Bundesinnenminister Horst Seehofer will wegen einer Kolumne über die Polizei in der Tageszeitung taz Strafanzeige stellen. Die Reaktionen auf Twitter sind deutlich.Vergangenen Montag erschien in der taz eine Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah. Unter dem Titel All cops are berufsunfähig schrieb Yaghoobifarah über die Polizei. Auf satirische Art und Weise fragte die Autor*in, wo Polizist*innen arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Yaghoobifarah spielt in dem Artikel viele Optionen durch und kommt zu dem Schluss, dass Polizist*innen am besten auf der Mülldeponie aufgehoben seien. "Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."

Nach dem Erscheinen der Kolumne gab es viel Kritik an der Gleichsetzung von Polizist*innen mit Abfall. Beim Deutschen Presserat – der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse – gingen bereits bis Dienstag etwa 50 Beschwerden ein. Auch die Chefredakteurin der taz Barbara Junge hatte sich vom Inhalt der Kolumne distanziert, aber eingeräumt, dass Autor*innen, "die selbst mehrfach zum Ziel rassistischer Beleidigungen und Bedrohungen geworden sind", ein anderes Verhältnis zu dem Thema haben könnten.

Seehofer spricht von "unsäglichem Artikel" in der taz

Nun hat sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in die Debatte eingeschaltet. "Ich werde morgen als Bundesinnenminister Strafanzeige gegen die Kolumnistin wegen des unsäglichen Artikels in der taz über die Polizei stellen", sagte er der Bild  am Sonntagabend. "Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen." In Stuttgart war es in der Nacht zu Sonntag nach einer Drogenkontrolle zu Straßenschlachten mit der Polizei gekommen.

Dass Seehofer eine Strafanzeige stellt, bedeutet erstmal nur, dass die Polizei nun verpflichtet ist, den Sachverhalt zu prüfen. Das Verfahren landet dann zur weiteren Strafverfolgung bei der Staatsanwält*innenschaft. Die entscheidet nach Abschluss der Ermittlungen, ob gegen Yaghoobifarah Anklage erhoben wird oder das Verfahren eingestellt wird. Seehofers Anzeige wäre prinzipiell nicht nötig gewesen, da die Polizeigewerkschaft bereits Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt hat. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Entsetzte Reaktionen auf Twitter

Auf Twitter zeigten sich viele entsetzt von Seehofers Ankündigung. Manche sehen es als Signal der Einschüchterung und einen Angriff auf die Pressefreiheit. Zudem wird dem Innenminister vorgeworfen, dass er völlig unverhältnismäßig reagiere. Einige fordern nun verstärkte Solidarität mit Yaghoobifarah. Auch die unklare Haltung der taz, die sich nicht eindeutig für oder gegen den Text und den*die Autor*in positioniert, wird kommentiert.

mb