Nachrichten, in denen sexuelle Fantasien und Wünsche beschrieben werden. Bilder und Videos, die sehr explizit Intimstes zeigen. Sexting macht Spaß. Und ist eine ganz einfache Möglichkeit, auch über große physische Distanzen hinweg dem*r Partner*in sexuell nahe zu sein.

Insbesondere in Zeiten von Social Distancing. Die Digitalagentur Khoros hat zum Beispiel herausgefunden, dass auf Twitter die Häufigkeit von Begriffen wie nudes (Nacktbilder) und dick pics (Penisbilder) von März bis April um mehr als 380 Prozent zugenommen hat. Ein Indiz dafür, dass derzeit viel gesextet wird. So schön das sein kann – ganz ungefährlich ist es leider auch nicht.

Das zeigt die Geschichte von Anna. Die 28-Jährige ist seit über acht Jahren mit ihrem Freund zusammen. Er studiert in Mailand, sie lebt mittlerweile in Berlin. Eine Distanz, die die beiden gerne mit Sexting zu überbrücken versuchen: "Klar schicken wir uns Dinge zu, die nur für unsere Augen bestimmt sind. Es ist doch völlig normal, dass wir unsere Lust auf Sex ausleben wollen. Wenn es physisch nicht geht, weil wir nicht an einem Ort sind, dann eben digital durch Nachrichten und Bilder," erklärt Anna.

Beide waren dabei vorsichtig. Sie nutzten nur verschlüsselte Messenger, sicherten ihre Smartphones und Accounts mit Passwörtern ab und schickten sich zumeist undeutliche Bilder.

Doch sicher war leider nicht sicher genug, wie sich herausstellte. Denn eines Tages erhielt Anna eine Nachricht von einem alten Schulfreund. Sie solle dringend etwas tun, es kursierten Nacktbilder von ihr im Netz. Anna fiel aus allen Wolken, als sie die Fotos auf einer Pornowebsite entdeckte: Das waren eindeutig sie und ihr Freund. Alle Bilder waren zudem mit ihrem Vor- und Nachnamen, ihrem Heimatort und einem Screenshot ihres Facebook-Profils versehen.

Anna wollte die Bilder so schnell wie möglich entfernen lassen. Die Rechtslage ist in einem solchen Fall eindeutig: Die Verbreitung solcher Bilder gegen den Willen der Abgebildeten stellt eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar und ist strafbar.

Anna war sich sicher, dass nicht ihr Freund die Bilder verbreitet hatte. Mit Hilfe eines Bekannten fand sie schließlich heraus, dass die Bilder aus ihrer Cloud heruntergeladen wurden. Wer das getan hatte, ließ sich allerdings nicht nachvollziehen. Sie meldete sich bei der Polizei, kontaktierte die entsprechenden Websites persönlich und drohte mit einer Klage – so konnte sie das Löschen der Bilder erwirken. Doch wer die Bilder ursprünglich aus ihrer Cloud geladen hatte, weiß sie immer noch nicht. Nach drei Monaten stellte die Polizei die Ermittlungen gegen Unbekannt ein.

Die Bilder waren zwar erstmal aus dem Netz verschwunden, aber die Veröffentlichung hinterließ bei Anna für einige Monate heftige Spuren. Sie gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte Angst, ihre Chefin könnte sie vielleicht gesehen haben. Wenn sie in der Bahn oder im Bus saß und den Eindruck hatte, jemand schaue sie länger an, stellte sie sich vor, sie sei erkannt worden.

Ich wollte die Kontrolle über meine Identität wiedergewinnen

Anna entschloss sich, ihrem Umfeld von der Veröffentlichung zu erzählen: "Ich wollte die Kontrolle über meine Identität wiedergewinnen". Und sie entschloss sich, anderen Betroffenen zu helfen.

So gründete sie im März 2020 Anna Nackt – eine Online-Plattform, mit der sie Betroffenen von digitaler Gewalt Hilfe anbieten möchte. Wieviele Menschen betroffen sind, ist schwer zu sagen, da viele Fälle womöglich gar nicht erst entdeckt werden. Und es geht dabei auch nicht nur um die Veröffentlichung von Bildern, wie in Annas Fall. Auch Screenshots von expliziten Nachrichten werden auf Pornoseiten veröffentlicht.

"Jede*r reagiert natürlich anders in solchen Situation, jedoch unterschätzen viele Menschen, mich eingeschlossen, was solche Erfahrungen psychisch mit jemandem machen – ich hätte nicht damit gerechnet, mich im alltäglichen Leben auf einmal verfolgt zu fühlen. Aber wenn man sich das eingesteht, kann man es auch lösen. Und dann gibt es natürlich auch noch die Gefahr, dass Arbeitgeber*innen oder Kund*innen etwas mitbekommen und vorwurfsvoll reagieren – das hat man oft einfach nicht in der Hand," erklärt Anna.

Auf Sexting zu verzichten, ist für sie trotzdem keine Option: "Sex ist ein menschliches Bedürfnis und wir sollten als Gesellschaft den Anspruch haben, niemals Betroffene sexualisierter Gewalt zu beschuldigen. Weder in der Offline- noch in der Onlinewelt."

Wenn du also Lust auf Sexting hast, mach es. Diese Vorsichtsmaßnahmen kannst du treffen:

Klare Absprachen

Egal, mit wem du explizite Inhalte teilst. Ob Partner*in, Affäre oder einer reinen Internetbekanntschaft: Sprecht euch über die Sicherheitsmaßnahmen ab und bitte du den*die andere*n, deine Sicherheitsvorkehrungen auch zu treffen (siehe unten).

Nicht alles zeigen

Wenn du sichergehen möchtest, auf Bildern nicht eindeutig identifiziert werden zu können, verzichte auf das Zeigen deines Gesichts oder Teile deines Körpers, wie Körperschmuck und Tattoos, die dir zugeordnet werden können.

Verschlüsselte Dienste

Wähle für Sexting einen sicheren Messenger. Verbraucherzentralen erklären die Unterschiede hier. Die meisten dieser Dienste bieten auch Screenshotsperren an oder die Möglichkeit, Nachrichten nur über einen begrenzten Zeitraum lang sichtbar zu lassen.

Bildinformationen

Lösche bei allen Bildern, die du verschickst die sogenannten Exif-Informationen: Metadaten wie Ort und Name der*s Fotograf*in. Es gibt Apps, die du dafür einfach nutzen kannst, zum Beispiel Photo Exif Editor(Android) und Photo & Video Metadata Remover (iOS). Mehr Information dazu findest du hier.

Keine Backups

Falls deine Bilder automatisch in einer Cloud gespeichert werden, deaktiviere die Backup-Funktion.

Passwörter

Ist zwar nervig, aber sicher: Schütze deine internetfähigen Geräte mit starken Passwörtern. Hier findest du eine Anleitung.

Doch Bilder entdeckt?

Solltest du Bilder (von dir oder anderen) entdecken, bei denen du sicher bist, dass sie ohne Einwilligung der*s Abgebildeten aufgenommen wurden, handle schnell. Je zügiger gegen die Verbreitung vorgegangen wird, desto wirksamer. Kontaktiere die Polizei und/oder Hilfestellen wie Anna Nackt oder Bff Frauen gegen Gewalt e.V.