Es sollte lustig sein – es wurde scheiße. Mert Matan, der mit seinen türkischen Eltern in Hamburg wohnt, drehte ein Video, in dem er seinem Vater vorspielt, in einer Beziehung mit einem anderen Mann zu sein. Die erschütternde Reaktion: Der Vater fängt an, seinen Sohn mehrfach heftig zu schlagen. Er ruft ihm zu: "Sag, dass das nicht wahr ist! Du kriegst auf die Schnauze!"

Der eigene Sohn könnte schwul sein – für den Vater von Matan scheint eine Welt zusammen zu brechen. Die einzige Reaktion, die es in der Welt von Matans Vater für Homosexualität gibt, ist Gewalt.

Matan beginnt sich zu rechtfertigen: "Es war alles nur ein Spaß – ich würde so etwas nie machen! Glaubt ihr, ich bin schwul?" Als sei der Streich, tatsächlich schwul zu sein, zu krass. Ein besonders böser Streich – einer, den er seinen Eltern nicht hätte spielen dürfen. Zweitens, Matan impliziert, dass er niemals schwul sein könnte. Auch wenn er es nicht ist – die Vorstellung, dass in seiner Familie die Möglichkeit gar nicht erst besteht, ist absurd.

Das alles ist beklemmend genug. Gestern hat Matan ein Video veröffentlicht, in dem er sich für den Prank und die Reaktion seines Vaters rechtfertigt. Besser macht er es damit nicht.

Statt sich zu reflektieren, haben die anderen "zu viel falsches interpretiert". Das Video sei nicht gegen Homosexuelle. "Mein Vater hat nix gegen Homosexuelle, außer, dass sein Sohn schwul sein könnte. Das gibt es bei uns in der Familie nicht, nicht in der Kultur und der Religion." sagt er.

Wir haben nix gegen Homosexuelle, aber bitte nicht bei uns. Ein Satz wie: Ich habe nichts gegen Ausländer, aber meine Tochter sollte sich bloß nicht in einen Türken verlieben. Jeder kann leben wie er will, das möchten Matan und sein Vater klar stellen. Außer in der eigenen Familie – da sollen bitte alle so leben, wie Papa Patriarch das will. Das ist keine Toleranz.

Homosexualität ist keine aktive Entscheidung, es gibt sie in jeder Gesellschaft, unabhängig von Religion oder Familienzugehörigkeit. In besonders patriarchalen Strukturen wird Homosexualität aus Angst vor Ausgrenzung oft unterdrückt, so zum Beispiel in vielen muslimisch geprägten Gesellschaften.

Ob Matan umdenken wird? Eher nicht. Seine Fans sind größtenteils seiner Meinung – nur wenige äußern Kritik. Diese Kommentare unter den Videos sind fast noch trauriger als die Clips an sich.

Homophobie ist keine Meinung, sondern das Ergebnis von Unwissenheit und irrationalen Ängsten. Es ist erschreckend, wie sehr die Meinungsfreiheit benutzt wird, um zu beleidigen und Stereotype zu reproduzieren. Es macht mich traurig, solche Kommentare zu lesen, weil ich sie aus meiner Lebenswelt nicht kenne. Ich lebe offensichtlich in einer Blase. Dann erschrecke ich mich über so viel Hass und Unwissen.

Dieses Video gehört nicht auf YouTube. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie viele Jungs sich nun nicht outen werden, weil ihnen Angst gemacht wurde. Davor, dass ihre Eltern zwar nichts gegen Schwule haben, sie aber bloß nicht zum Sohn haben wollen.

Doch das schlimmste an allem, ist: Ich glaube, dass weder Mert Matan, noch sein Vater, noch seine Fans jemals wirklich verstehen werden, warum dieser Streich mitsamt seiner Rechtfertigung ein Fehler war.

Ausführliche Informationen zum Thema Homosexualität findest du auf Deutsch und Türkisch hier.