Zehntausende Menschen sind am Samstag in mehreren deutschen Städten zusammengekommen, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren und acht Minuten und 46 Sekunden innezuhalten – so lange, wie der Afroamerikaner George Floyd durch das Knie eines weißen Polizisten im Nacken am 25. Mai in Minneapolis zu Boden gedrückt wurde.

Allein in Berlin demonstrierten laut Polizei 15.000 Menschen – angemeldet waren 1.500. Der Alexanderplatz war schon kurz nach Beginn der Demo so voll, dass ihn die Beamt*innen absperren mussten. Die Polizei bat weitere ankommende Demonstrant*innen, auf die umliegenden Straßen auszuweichen und rief über Lautsprecher zur Vorsicht auf: "Wir wollen nicht, dass eine Massenpanik entsteht."

Demonstrieren mit Mundschutz

Organisiert hatten die deutschlandweiten Demos laut eigener Aussage "einzelne, afrodeutsche Personen, die sich spontan zusammengetan haben, um gemeinsam gegen Rassismus einzustehen". Dahinter stünde kein Verein oder eine bereits bestehende Organisation, schreiben die Veranstalter*innen auf Instagram. Nadia Asiamah, die Organisatorin der Stuttgarter Silent Demo, sagte gegenüber dem SWR: "Für mich war es nicht genug, wenn man auf Social Media postet. Man muss mehr dafür tun."

Um bei den Protesten kein gesundheitliches Risiko einzugehen, hatten die Veranstalter*innen vorab noch mal dazu aufgerufen, sich an die aktuell gültigen Maßnahmen zur Ansteckungsprävention zu halten, Mund- und Nasenschutz zu tragen, den Mindestabstand von anderthalb Metern einzuhalten und regelmäßig zu desinfizieren.

Kritik an Silent Demo

Obwohl die stillen Demos viel Zuspruch bekamen, hatte im Vorfeld unter anderem die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland diese schweigende Form des Protests kritisiert. "Ausgerechnet jetzt, da viele Städte in den USA und zunehmend auch anderen Teilen der Welt brennen und die Wut der rassistisch Unterdrückten endlich mehr Gehör finden, denken wir, dass es in Deutschland nicht der richtige Moment ist, zu schweigen oder leise zu sein." Jetzt sei genau die Zeit, laut und wütend zu sein, heißt es in der Stellungnahme.

Die Silent-Demo-Veranstalter*innen verteidigten hingegen den stillen Protest: "Für uns geht es darum, zusammenzukommen, no matter what. Wir müssen nicht mit unseren Körpern kämpfen, Gott sei Dank. Wir können uns aber als friedliche Einheit präsentieren und unsere Narben für uns sprechen lassen."

UPDATE, 07.06.2020: Im Anschluss an die friedliche Demo in Berlin kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant*innen und Polizist*innen, 93 Menschen wurden festgenommen. Beamt*innen und Passant*innen seien laut Angaben der Polizei aus einer größeren Gruppe heraus mit Steinen und Flaschen beworfen worden, nachdem ein Mann wegen Sachbeschädigung eines Einsatzfahrzeuges festgenommen worden war. Ein Pressefotograf sei ebenfalls verletzt worden. Auf Twitter und Instagram teilten User*innen Videoaufnahmen von Verhaftungen, physischer Gewalt und dem Einsatz von Pfefferspray seitens der Polizei gegen Protestierende.

UPDATE, 09.06.2020: Die 15.000 Teilnehmen entsprechen den Angaben der Polizei. Laut Aktivist*innen und Journalist*innen nahmen rund 50.000 Menschen an der Demo in Berlin teil.

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