Skaten und die Olympischen Spiele, das passt für mich so gut zusammen wie Berlin und Sperrstunde. Es sind zwei Grundideen, die weiter nicht auseinander liegen könnten. Auf der einen Seite straff organisierte Verbände, Medaillenvorgaben, minutiös getaktete Wettkämpfe, Dopingkontrollen – und natürlich am Ende ein Gewinner und viele Verlierer.

Fußballer*innen oder Läufer*innen gehen zum Sport. Dort schlüpfen sie für kurze Zeit in ihre Trainingsklamotten und sind danach wieder die Menschen, die sie davor waren. Skaten ist eher eine Lebenseinstellung. Ich gehe Skaten, weil es keine Regeln gibt, keine Trainer, keine Schiedsrichter und niemanden, der mir sagt, dass ich einen Trick richtig oder falsch gemacht hätte. Ich brauche keine genau abgesteckte Strecke, keinen Korb, in den ich Bälle werfen müsste.

Die ganze Stadt ist ein Skatepark, der darauf wartet, mit dem Brett erkundet zu werden – mit Geländern, Randsteinen, Stufen und Blumenbeeten. Und alle Skater*innen interpretieren ihre Umgebung anders, haben unterschiedliche Ideen, welchen Trick sie wo machen könnten. Darum reisen Skater*innen auch so viel. Ein Fußballfeld bleibt immer ein Fußballfeld – aber es gibt keinen Skatespot, der gleich ist wie der andere.

Wo andere nur Beton sehen, habe ich hunderte Ideen für Tricks im Kopf. Als Skater ist man außerdem Teil des Mikrokosmos Stadt: Man kommt ständig in Kontakt mit Menschen. Es gibt Diskussionen mit Obdachlosen, die auf der selben Parkbank Bier trinken wollen, auf der man seine Tricks machen möchte. Von all dem bekommen Tennisspieler oder Fußballer auf ihren Trainingsplätzen nichts mit. Sie bewegen sich in einem Biotop.

Wettbewerb? Who cares?

Jetzt wird Skaten olympisch und soll auf einmal funktionieren wie ein Sport. Aber Skaten lässt sich schlecht bewerten. Bei einem 100-Meter-Lauf ist das einfach: Wer als erster durchs Ziel läuft, hat gewonnen. So sind die meisten Disziplinen. Man kann einfach messen, wer der Beste der Welt ist.

Skaten ist aber so individuell wie Musik oder Kunst. Es gibt keine Gewinner oder Verlierer. Oder habt ihr jemals gehört, dass jemand ein Bild falsch gemalt hätte? Natürlich gibt es Skater*innen, die besser sind als andere – und auch im Skaten gibt es seit jeher Wettkämpfe, die dann halt Contests heißen. Aber es geht eher darum, die Freund*innen aus benachbarten Städten wiederzutreffen und gemeinsam ein Bier zu trinken.

Die Contests sind meist schlecht organisiert, es dauert immer alles länger als geplant. Niemand trainiert wochen- oder monatelang dafür. Man quetscht sich morgens mit ein paar Kumpels in ein Auto oder den Zug und fährt dorthin. Das hat eher den Charakter von einem Ausflug an den See. Es ist nichts, was man wahnsinnig Ernst nehmen würde.

Ernährungspläne? Who cares?

Die Sportler*innen, die zu den Olympischen Spielen fahren, trainieren dagegen jahrelang dafür. Es gibt Ernährungspläne und Camps, in denen sie mit ihren Trainer*innen schuften, um auch noch das letzte Bisschen aus ihrem Körper herauszukitzeln. Das hat alles wahnsinnig viel mit Organisation, Planung und einem gesunden Lebenswandel zu tun – alles Dinge, für die Skater*innen nicht gerade bekannt sind und sie auch eher weniger interessieren.

Mir ist schon klar, warum das Internationale Olympische Komitee Skaten dabei haben will. Es ist ähnlich wie bei Snowboarden oder Surfen. Die Spiele sollen hip bleiben, interessant für junge Menschen. Nur verstehen die Organisatoren nicht, dass sie dafür einen Lifestyle in ein wettkampftaugliches Format stopfen müssen. Das ist, als ob man einen Löwen in einen Käfig steckt. Es ist immer noch ein Löwe, aber man wird nie eine Idee davon bekommen, wie das Tier eigentlich drauf ist, wenn es sich in freier Wildbahn bewegt.

Wer wissen will, wie Skaten auf der Straße aussieht, sollte sich einfach diese beiden Videos anschauen und dabei an Synchronschwimmen oder Diskusswerfen denken. Klappt nicht? Eben.