Was, wenn "deine Probleme dermaßen groß sind, dass deine Therapeutin es vorzieht zu sterben, anstatt sie sich auch nur noch eine Minute länger anzuhören?" Was als Scherz ihrer Freundin Campbell gemeint ist, beschreibt Abbys Lebenswirklichkeit. Denn mitten in einer Sitzung stirbt ihre Therapeutin. Ohne, dass Abby es zunächst überhaupt mitbekommt.

Es klingt erstmal nach einer gewöhnlichen Midlife-Crisis: Die Hauptfigur in Work in Progress Abby fühlt sich ausschließlich von Menschen umgeben, "die sich vollständig verwirklicht haben". Sich selbst nimmt sie hingegen als unfertig wahr. Erst nach und nach entpuppen sich Abbys Probleme als klinische Depression, begleitet von Panikattacken und Zwangsstörungen. Die Serie von und mit Comedien*nes Abby McEnany und Tim Mason geht mit diesen ernsten Themen leicht und ungezwungen um – und auch ein wenig morbide.

So startet die achtteilige Serie nicht nur mit dem Tod von Abbys wichtigster Bezugsperson – mit deren Foto auf dem Sperrbildschirm ihres Smartphones sie weiterhin spricht –, sondern auch mit Abbys eigenem Wunsch, zu sterben. Wenn sich ihr Leben binnen 180 Tagen nicht grundlegend verändert, will Abby Suizid begehen. Für jeden dieser Tage liegt eine Mandel auf dem Küchentisch, die wie ein Countdown fungieren und einzeln ihren Weg in den Mülleimer finden. Ihrer Schwester erklärt Abby: Sobald sie sich der letzten Mandel entledigt habe, sehe sie für ihr Leben keine Zukunft mehr.

Klassische Rom-Com mit Hindernissen

Abbys Schwester Alison nimmt diese bedenkliche Aussage nicht ernst. Stattdessen verkuppelt sie Abby mit Chris, einem jungen trans Mann, der die lesbische Abby in eine für sie neue, queere Welt einführt. Obwohl die Kennenlernphase der beiden hier lockerleicht erzählt wird – man manchmal dem Gefühl erliegt, eine klassische Rom-Com zu schauen – schwingen Abbys psychische Erkrankungen immer mit.

Um herauszufinden, warum ihr so vieles Angst macht, schreibt sie jede Kleinigkeit auf – "um Einzelheiten zu verstehen, die vielleicht ein Muster ergeben und so zu verstehen, warum ich so bin, wie ich bin." Mit Chris spricht sie kaum darüber, sie zieht sich stattdessen zurück. Die Beziehungsprobleme sind damit vorprogrammiert. Auch Abbys Freundin Campbell meint: "Klar darfst du dich so fühlen, wie du dich fühlst, aber dass du nichts sagst, ist inzwischen ein Problem geworden."

Zwangsstörungen seit dem Kindergarten

Im Gegensatz zu Chris erhalten die Zuschauer*innen sehr wohl einen Einblick in Abbys Gedanken: Im Laufe der acht Folgen mehren sich Flashbacks und zeigen nicht den Ursprung, aber die Schlüsselmomente in Abbys Leben, die zu ihrer psychischen Erkrankung beigetragen haben. Da ist der Moment, in dem sie mit ihrer Kindergartengruppe aus Versehen eingeschlossen wurde und aus dem heraus sie Zwangsstörungen entwickelte. Eine frühere Beziehung, in der sie sich offenbarte und auf Unverständnis traf, was zu einer Depression führte. Und ein Charakter aus der US-Comedy-Show Saturday Night Live, der der Auslöser für ihr schwieriges Verhältnis zum eigenen Körper war.

Die Erzählweise von Work in Progress ist ohne Frage charmant, der Cast besonders durch seine ungezwungen wirkende Diversität ein Highlight. Bei einem undurchsichtigen Thema wie Mental Healtherwartet man als Zuschauer*in vielleicht Vorschläge, Anleitungen oder sogar Lösungen für Betroffene oder Personen in deren Umfeld. Damit kann die Comedyserie trotz autofiktionaler Erzählweise nicht aufwarten.

Abby McEnany schafft es jedoch, auf realistische Weise darzustellen, was es bedeutet, mit einer psychischen Erkrankung zu leben (und zu lieben): Es ist ein fortwährender Prozess, der keine einfachen Antworten kennt, sondern ein ständiges Zusammenspiel aus Zuhören und schrittweisem Verstehen ist.

Zu sehen ist Work in Progress auf Sky Atlantic.