Singende Riesenpusteblumen, begeisterte Einwohner, jede Menge Touristen: Schweden fiebert dem Gesangswettbewerb auf besondere Weise entgegen.

Wer ganz nah rankommt, der soll sogar den zarten Duft von Löwenzahn riechen können. Aber dass die über acht Meter hohe Pusteblumen-Konstruktion wirklich duftet, ist wohl eher ein Scherz. Und selbst wenn, würde sowieso der Pommesgeruch aus dem Bistro gegenüber gewinnen. Bei der Lautstärke kann die Blume jedoch mithalten. Denn die Installation, die als Countdown bis zum ESC-Finale dient, spielt die 42 Songs der Teilnehmer*innen in Dauerschleife.

Dementsprechend begehrt ist die überdimensionale Pusteblume als Fotomotiv. Fans aus Australien posieren vor ihr mit ihrer Landesflagge und machen Selfies. Kaum fertig, nehmen Italiener*innen ihren Platz ein. Die Sonne scheint, der Andrang auf dem Norrmalmstorg ist groß.

Noch mehr los ist jedoch im Kungsträdgården gegenüber. Im königlichen Park befindet sich das Eurovision Village, wo Konzerte und Shows stattfinden, Merchandising verkauft wird und sich die Sponsoren präsentieren dürfen. Doch Moment, irgendetwas ist anders als sonst. Plötzlich steht da ein 81 Meter hoher Aussichtsturm mitten im Park. Den "City Skyliner" hat die Stadt eigens für den Eurovision Song Contest aufgestellt.

Sogar die Ampeln trällern Eurovision-Songs

Das sind die zwei wohl auffälligsten Attraktionen, die Stockholm seinen Gästen aus der ganzen Welt voller Stolz präsentiert. Doch die ESC-Besucher*innen erwarten noch ein paar kleine Details. Wer von der großen Pusteblume ins Eurovision Village läuft, muss über eine Kreuzung gehen. Das übliche Klock-Klock der Fußgängerampel für Blinde ergänzt jetzt "Heroes" von Måns Zelmerlöw, das letztes Jahr den ESC gewonnen hat und das größte Musikfest der Welt endlich wieder nach Schweden geholt hat.

Mit dem Gewinnerlied tanzt es sich gleich viel besser über die Straße. Springt die Ampel auf Rot, wechselt das Lied. "Euphoria" von Loreen soll die Leute beim Stehenbleiben unterhalten. Denn hier, mitten in der Stadt und unweit des Stadtschlosses, ist viel Verkehr. Die Busse, die an einem vorbeifahren, sind geschmückt mit kleinen ESC-Fähnchen. Wo an Feiertagen sonst die schwedische Flagge thront, weht jetzt das Eurovision-Logo.

Schwedischer Volkssport: Eurovision

Das sich darüber hinaus sowieso in der ganzen Stadt befindet. Denn alle großen Straßen sind übersät mit ESC-Plakaten. Schon das Motto "Come Together" beweist: Die Stockholmer*innen können es nicht erwarten, dass die Musikfans in ihre Stadt kommen. So wie Fußball der deutsche Volkssport ist, scheint es Eurovision für die Schwed*innen zu sein.

Statt wie in Deutschland eine Show als Vorentscheid (wenn nicht gerade einfach Xavier Naidoo bestimmt wird), gönnt sich Schweden gleich sechs Abende, um den Beitrag für den ESC zu finden. Das Finale im vergangenen Jahr hat mehr als jede*r dritte Einwohner*in am Fernseher verfolgt. Beim Televoting wurden über 12,5 Millionen Stimmen abgegeben. Bei neuneinhalb Millionen Einwohnern versteht sich.

"Wir haben gute Ergebnisse beim Eurovision, also schauen die Leute Eurovision. Sie sind stolz. Darum geht es eigentlich: um Stolz", erklärte der ESC-Produzent Christer Björkman im Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Faszination seiner Landsleute für das Musikfest.

Weltpremiere: Justin Timberlake beim ESC

Genauso begeistert dürften auch die vielen LGBTIQ*-Besucher*innen sein. Sogar die New York Times kürt den ESC zum "campiest event on the international cultural calendar". Vor allem für Schwule ist der Grand Prix schon lange ein Pflichttermin. Grund genug für die schwedisch-dänische Post, sechs Briefkästen in Stockholm in Regenbogenfarben anzumalen. Passend zu einer Pride-Briefmarke, die Ende März vorgestellt wurde.

Die wohl größte Überraschung haben die ESC-Veranstalter*innen jedoch am Montag verkündet: Justin Timberlake wird in der Pause mit seinem neuen Song "Can’t Stop The Feeling" auftreten. Mit dieser Weltpremiere erhält der Song Contest fast ein wenig Super-Bowl-Flair. Wer auch immer am Samstag gewinnt: Stockholm hat die Messlatte hochgelegt. Verdammt hoch.