Hattest du schon mal was mit einer*m Kursteilnehmenden? Hast du schon einmal eine Erektion bekommen? Unser Autor arbeitet als männliches Aktmodell beantwortet Fragen, die ihm häufig gestellt werden.

Ich befinde mich mit vierzig Studierenden und einem Dozenten an einem Dienstagnachmittag im April in einem Seminarraum der Fachhochschule. So weit, so gewöhnlich – gäbe es dabei nicht einen Unterschied: Ich bin nackt, splitternackt, trage keinen noch so kleinen Fetzen Stoff auf meiner Haut und werde dabei von achtzig Augenpaaren genauestens gemustert. Was sich für neun von zehn Menschen nach einem absoluten Albtraum anhört, ist mein Job: Ich bin Aktmodell.

Wohl fast jeder Mensch weiß, was ein Aktmodell macht. Die Meinungen darüber gehen weiter auseinander als bei der Frage, ob Nutella mit oder ohne Butter gegessen wird. Der*die eine sieht es als Zwischenschritt auf dem Weg zum*r Pornodarsteller*in, der*die andere ist sowohl neugierig als auch interessiert, es einmal selber auszuprobieren. Trotz aller unterschiedlichster Meinungen und Vorstellungen bleibt die Wahrheit oft auf der Strecke, weswegen viele Unwahrheiten und Gerüchte über die Tätigkeit als Aktmodell kursieren. Was wäre da wohl geeigneter als die Fragen zu beantworten, die mir am häufigsten gestellt werden?

Was macht ein Aktmodell eigentlich?

Ein Aktmodell hat die Aufgabe, Studierenden oder Künstler*innen leicht bekleidet oder in der Regel nackt am lebenden Objekt das Zeichnen und Studieren der Proportionen, Kurven, Schatten, et cetera des menschlichen Körpers zu ermöglichen. Aktzeichnen ist Teil eines jeden Kunststudiums und kommt in vielen Bereichen zum Einsatz.

Wieso machst du diesen Job?

Erst einmal habe ich mit Nacktheit kein Problem und darüber hinaus stellt das Modellstehen eine gute Möglichkeit des Nebenverdienstes dar. Da ich ebenfalls Student bin, kann ich jeden Euro gut gebrauchen.

Ist es dir nicht unangenehm, dich vor bis zu vierzig Personen nackt zu zeigen?

Wenn es mir unangenehm wäre, würde ich es nicht machen. Die ersten Momente der Nacktheit sind immer wieder aufs Neue etwas speziell, aber nach einigen Minuten fühlt man sich wie eine Obstschale, die abgezeichnet werden soll.

Wie vertreibst du dir die Zeit während der Posen?

Auf unterschiedliche Weise. Manchmal strukturiere ich gedanklich Haus- oder Seminararbeiten, an einem anderen Tag denke ich über mein Leben sowie meine Familie nach und komme zu dem Entschluss, mal wieder meine Oma anzurufen. Sollten kürzere Posen gefragt sein, überlege ich mir während der einen Stellung bereits, wie ich mich als nächstes positionieren werde.

Ist der Job anstrengend?

Auch wenn einige sagen "Du kriegst da also Geld fürs Rumliegen? Ist ja leicht verdient" darf man das Modellstehen nicht unterschätzen. Je nach Pose kann man schon leicht ins Schwitzen kommen. Komplett verdreht und mit eingeschlafenem Arm können auch lediglich zwei Minuten zur körperlichen Qual werden. Nicht selten hatte ich nach langen Zeichentagen Muskelkater.

Ist dir dabei schon einmal etwas Peinliches passiert?

Richtig peinlich nicht, aber nach einer langen Pose ist mir einmal mein rechtes Bein eingeschlafen, weswegen ich vom Stuhl gefallen bin, da es einfach weggeknickt ist.

Bist du schon mal von einer zeichnenden Person angemacht/angesprochen worden?

Direkt in einem Kurs bin ich nicht angesprochen worden, lediglich des Öfteren beim Weggehen, an der Bushaltestelle an der Uni oder bei meinem anderen Job, den ich in unmittelbarer Nähe zur Uni habe.

Hattest du schon mal was mit einem*r Kursteilnehmenden?

Nein, und das soll auch so bleiben. Ich möchte seriös wahrgenommen werden, damit ich weiterhin als Aktmodell arbeiten und nicht den Kurs dazu nutzen, um – in meinem Fall – Mädels kennenzulernen.

Was sagen deine Freund*innen und deine Familie dazu?

Meine Freunde und Familie wissen davon gar nichts, da ich es ihnen nie erzählt habe und auch keine*r von ihnen in diesem Bereich studiert. Habe schon früher einmal länger darüber nachgedacht, ob ich ihnen das erzählen soll, dafür aber keine bedeutenden Gründe gefunden.

Musstest du schon einmal vor einer Person posieren, die du kanntest?

Persönlich kannte ich noch niemanden, lediglich vom Sehen, da ich in einer Art Studentencafé in der Nähe der Uni arbeite und auch selbst dort studiere.

Hast du schon einmal eine Erektion bekommen?

Nein, weil die Atmosphäre beim Zeichnen trotz der Nacktheit äußerst unerotisch ist und ich darüber hinaus versuche, Augenkontakt so gut es geht zu vermeiden. Einige wenige Male kam es vor, dass ich mit einer Kursteilnehmerin kurze Blicke ausgetauscht habe, aber dabei blieb es dann auch.

  1. Ich habe selbst Interesse am Modell stehen – wie komme ich an diese Jobs?
    Wenn du in einer Universitätsstadt lebst, ist es sehr einfach. Melde dich einfach jeweils an die Kunstinstitute der Fachhochschulen oder Universitäten – dort wirst du dann an die jeweiligen zuständigen Personen weitergeleitet. Darüber hinaus gibt es zum Beispiel in Kunsthochschulen oder oft in Volkshochschulen solche Kurse.
  2. Gibt es dafür körperliche Voraussetzungen?
    Nein, die gibt es nicht. Es werden sogar sehr gerne etwas fülligere Menschen genommen, da diese etwas schwerer zu zeichnen sind. Du musst dich einfach nur in deinem Körper wohlfühlen, da es für diesen Job unerlässlich ist, deinen nackten Körper fremden Menschen zu präsentieren.
  3. Was kann man hier verdienen?
    Es kommt darauf an, wo man Modell steht. Der Regelsatz bewegt sich zwischen 15 und 20 Euro.

All denjenigen, die diese Tätigkeit schon immer einmal selbst ausprobieren wollten, denen aber stets der Mut dazu fehlte, kann ich nur raten, es wirklich einmal selbst zu machen. Die negativen Vorstellungen oder etwaige Schreckensszenarien treffen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu. Ich habe mich auch früher lange geziert, das Angebot anzunehmen, freue mich aber heute sehr darüber, es schlussendlich getan zu haben. Denn was ist schöner als einen Nebenjob zu haben, den nicht jede*r hat und dabei Studierenden beim Ausüben ihres Studiums zu unterstützen?

Also: Traut euch!