Die Folgen des Coronavirus stellen gerade das alltägliche Leben auf den Kopf. Was bedeutet das für das Leben auf der Straße? Diese Frage stellten sich auch die Mitglieder der sozialen Initiative Manege Hilft – ein Projekt in Berlin-Neukölln, das sich seit 2015 für Menschen einsetzt, die von Diskriminierung und struktureller Ungerechtigkeit betroffen sind. Wie könnte man obdachlose Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie unterstützen?

Inspiration fanden die Berliner*innen in Hamburg. Dort hängen bereits seit zwei Jahren an einem Zaun am Heidi-Kabel-Platz beim Hamburger Hauptbahnhof regelmäßig in Säcke gepackte Lebensmittel. Obdachlose Menschen können sich dort bedienen. Hinter der Aktion steckt der Verein Hamburger Gabenzaun.

Manege Hilft begann vor einigen Tagen, die Idee auch in Berlin umzusetzen. Die Initiator*innen starteten mit Gabenzäunen in ihrer Wohnumgebung in Neukölln – nahe des Hermannplatzes, Schillerkiezes und des Boddinplatzes. Über die sozialen Netzwerke folgte ein gewaltiges Echo von motivierten Helfer*innen, die die Idee unterstützen wollen. Mittlerweile gibt es mehr als 20 Gabenzäune im Raum Berlin und dazu noch in weiteren Städten wie Leipzig.

ze.tt hat mit einer der Initiator*innen in Berlin gesprochen.

ze.tt: Nadine, wie kann ich das Projekt unterstützen?

Nadine von Manege Hilft: Die Gabenzäune sollen nachhaltig wirken und nicht nach einer Woche in Vergessenheit geraten. Sie machen darum nur an Orten Sinn, die gut sichtbar und erreichbar sind. Leuten, die Bock haben mit anzupacken, schlagen wir vor, auf unsere

Facebook-Seite zu gehen, um sich mit Gleichgesinnten des eigenen Stadtteils zu vernetzen. Das hilft, die bestehenden Gabenzäune am Laufen zu halten, die einige

Menschen ohne Obdach bereits kennen.

Und wie läuft das weiter ab?

Jede*r überlegt sich, was sie*er spenden möchte. Die Richtlinien dafür können in den einzelnen Gruppen der verschiedenen Stadtteile variieren. Generell gilt: Sachen mit gültigem Haltbarkeitsdatum, die sauber und auch ohne Küche verwertbar sind. Ideal eignen sich dafür Obst, Müsliriegel oder luftdicht verpackte Sandwiches. Diese dann in Tüten packen, damit sie vor Regen geschützt sind und die Tüten so beschriften, dass der Inhalt deutlich wird.

Sind beim Gabenzaun ausschließlich Lebensmittel erlaubt?

Wir in Neukölln haben für unsere Standorte entschieden, primär Lebensmittel, Getränke und Hygieneartikel wie Desinfektionsmittel, Feuchttücher oder Zahnbürsten anzubieten. Ebenso Hundefutter und gewisse Kleidungsstücke, Schlafsäcke sowie Isolationsmatten, weil einige Schlafstätten aufgrund der gesundheitlichen Vorschriften schließen mussten. Der Gabenzaun dient aber nicht als Platz, an dem die Leute ihre entrümpelten Sachen loswerden. Der jetzige Bedarf der Obdachlosen steht im Vordergrund: Einige Gruppen haben dafür auch Bedarfslisten an die Zäune gehängt, auf denen die Obdachlosen festhalten, was sie wirklich dringend benötigen.

Wurde der Gabenzaun auch schon ausgenutzt?

Nach meiner Erfahrung und aus Feedbacks anderer greifen die Obdachlosen nur nach dem, was sie brauchen. Sie sind sehr dankbar und verhalten sich am Gabenzaun bescheiden und solidarisch ihren Mitmenschen gegenüber.

Es gibt Stimmen, die behaupten, dass man ja nicht genau wisse, ob die Spenden tatsächlich die Richtigen erreichen oder ob der Gabenzaun bloß ausgenützt werden würde. Unsere Antwort darauf: Das ist kein Grund, die Aktion nicht weiterlaufen zu lassen.

Soll die Aktion auch nach der Corona-Krise weitergehen?

Hoffentlich braucht es die meisten Zäune bis dahin nicht mehr. Das wäre die Bestätigung, dass die Institutionen, die Obdachlose sonst unterstützen, wieder funktionieren. Bis es soweit ist, wünschen wir uns aber den Erhalt der Gabenzäune.