In der Region Trás-os-Montes in Portugal liegen viele kleine Dörfer, in denen meist nur sehr wenige, sehr alte Menschen leben. Schon der Name der Region, der auf Deutsch übersetzt etwa "Hinter den Bergen" bedeutet, weist auf die Abgeschiedenheit der Gegend hin. Junge Menschen haben die Dörfer längst verlassen. In Trás-os-Montes hätten sie nur von Landwirtschaft und Viehzucht leben können, sie suchen in größeren Städten nach anderer Arbeit. Die zurückgebliebenen Bewohner*innen leben auf sich gestellt, ohne Verwandte, ohne Fernseher, ohne Smartphone, häufig in großer Einsamkeit. Wenn es in den Wintern sehr kalt wird, verlassen sie ihre Häuser zum Teil wochenlang nicht.

Der Fotograf Ricardo Ramos besuchte zusammen mit freiwilligen Helfer*innen, die sich ab und an kümmern, die alten Menschen in der Region. Auf etlichen Schwarz-Weiß-Fotos porträtiert er Dorfbewohner*innen. "Ich wuchs auch in einem kleinen Dorf auf, genau wie die Menschen auf den Fotos. Ich weiß, wie das ist. Und ich wusste auch, dass es sehr interessant sein würde, ihre Geschichten zu teilen", sagt er.

Menschen wie sie findet man heute kaum noch. Sie wollen kein Geld und kein Fernsehen, sie wollen nur reden und eine Umarmung.
Ricardo Ramos

"Das Projekt soll auf Einsamkeit aufmerksam machen. Natürlich gibt es Menschen, die sehr gut in Einsamkeit leben können, aber andere können damit nicht umgehen", erzählt er weiter. In Trás-os-Montes seien fast alle Schulen geschlossen worden, die Dörfer seien Geisterdörfer, überall finde man verlassene Felder, schildert er seine Eindrücke. Doch Ricardo berichtet auch begeistert von der Lebenseinstellung der Menschen dort: "Sie kennen das Böse nicht. Sie haben kaum Geld, aber sie bieten dir immer irgendwas an. Sie leben ein einfaches Leben, fernab von materiellen Gütern. Sie sind auch echte Vorbilder: Sie nutzen alles, nichts wird weggeworfen. Menschen wie sie findet man heute kaum noch. Sie wollen kein Geld und kein Fernsehen, sie wollen nur reden und eine Umarmung."

Als er sie fragte, ob er Bilder von ihnen machen dürfe, reagierten sie zunächst ablehnend: "Ich musste zuerst ihr Vertrauen gewinnen, weil sie dachten, die Fotos seien für irgendwelche Hexereien. Aber als sie das Ergebnis sahen, mochten sie es. Sie teilten ihre Geschichten mit mir, man kann ihnen stundenlang zuhören, ohne dass es langweilig wird", erinnert er sich. So machte Ricardo nicht nur Fotos von den Menschen, sondern sammelte auch ihre Geschichten. Zum Beispiel die von Frau Gracinda und Herrn Marcellin.

Frau Gracinda hilft ihr Glaube

Das ist Frau Gracinda. Sie verlor fast ihre ganze Familie bei einem Unfall. Ihre Tochter lebt noch, ist aber zurzeit im Gefängnis. Und ihr Bruder leidet an Krebs. Doch Frau Gracinda bewahrt sich ihr Lächeln: Der Glaube hilft ihr dabei, mit all den Schicksalsschlägen umzugehen. Sie zeigt Ricardo ihre riesige Sammlung von kleinen Heiligenstatuen und erklärt: "Diese kleinen Heiligen halten mich am Leben. Ohne sie hätte ich mich wahrscheinlich umgebracht."

Herr Marcellin ist gern allein

Das ist Herr Marcellin. Er ist lange Zeit umhergereist auf der Suche nach guter Arbeit. Die große Liebe seines Lebens ließ ihn letztlich sitzen. Seitdem lebt er wieder im Haus seiner Mutter, in einem Dorf mit nur 30 Einwohner*innen. Die meiste Zeit sitzt er am Fenster, raucht und trinkt ab und zu einen Schluck Wein. Er geht die Dinge langsam an, auf Hektik und Schnelllebigkeit hat er keine Lust. Er sagt, er sei glücklich, allein zu sein und die Einsamkeit sei seine beste Freundin.

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