Es gibt Pärchen, die diskutieren an der Kühltheke im Supermarkt engagiert über Pizza-Inhaltsstoffe, andere brüllen sich über sämtliche Gänge hinweg Schimpfwörter zu, wieder andere versinken eher in passiv-aggressivem Schweigen oder packen wortlos die Tüten noch mal neu. Keine Frage: Arten, Konflikte in Beziehungen auszutragen, gibt es ungefähr genauso viele wie Paare.

Doch wichtig ist nicht nur, was während einer Auseinandersetzung geschieht und wie zwei Menschen miteinander streiten, sondern vor allem, wie ein Paar anschließend miteinander umgeht. Wieso das so ist, haben sich Wissenschaftler*innen unlängst im Detail angeschaut.

Nach einem Streit sind Menschen verletzbar

Psycholog*innen der University of Texas at Dallas haben Konfliktlösungsstrategien in Beziehungen analysiert und ihre Studie in drei unterschiedlichen Stufen durchgeführt; in der letzten haben 226 zusammenlebende Paare zwei Wochen lang ein Tagebuch geführt. So haben die Forscher*innen vier wesentliche Verhaltensweisen für die Zeit nach dem Streit herausgearbeitet und untersucht:

  • Vermeidung,
  • aktive Wiedergutmachung,
  • Loslassen und
  • eine neue Perspektive gewinnen.

Vermeidung bedeutet demnach zum Beispiel, nach einem Streit einander aus dem Weg zu gehen, nicht mehr darüber zu sprechen, zu schmollen oder gar kompletter Rückzug. Zur

Wiedergutmachung zählen Dinge wie Bitten um Entschuldigung, Vergebung, Kompromisse, Zärtlichkeit oder Sex.

Loslassen heißt unter anderem, zu akzeptieren und auszuhalten, dass es in der Beziehung unterschiedliche Standpunkte gibt und es einfach gut sein lassen. Für eine

neue Perspektive ist laut Forschung entscheidend, dass der*die Partner*in bewusst versucht, sich in die Lage des*der anderen hineinzuversetzen und sie*ihn besser zu verstehen.

Das Ergebnis der Studie: Als erfolgreichste Strategie, um nachhaltig Konflikte in Beziehungen zu lösen, stellte sich aktive Wiedergutmachung heraus; Vermeidung hingegen war am destruktivsten – sie kann laut der Wissenschaftler*innen langfristig zum Ende der Beziehung führen.

"Es gibt schon jede Menge Forschung, die sich mit der Wichtigkeit dessen befasst, was Paare innerhalb einer Auseinandersetzung tun. […] Unsere Studie konzentriert sich jedoch darauf, dass es nicht vorbei ist, wenn der Streit endet. Was wir anschließend tun, ist ebenfalls von großer Bedeutung", sagt Studienautorin Karen Prager laut Uni-Website.

Denn nach einem Streit seien Menschen besonders verletzbar und sensibel. Deshalb sei es so entscheidend, die durch den Konflikt in der Beziehung zerkratzte Nähe und die angerissene Verbindung rasch wieder zu reparieren.

Nur: Wie genau geht das am besten? Das erklärt die Münchner Beziehungsexpertin und Paartherapeutin Andrea Bräu.

Konflikte in Beziehungen sind normal

Dass zwei Menschen, die viel Zeit miteinander verbringen und sich auf vielen Ebenen nahestehen, öfter Dinge aushandeln müssen, liegt schlicht in der Natur von Beziehungen. "Beide haben eigene Bedürfnisse, unterschiedliche Angewohnheiten, aber auch eine andere Familie, durch die sie anders konditioniert sind und unterschiedliche Verhaltensweisen vorgelebt bekommen haben", erklärt Andrea Bräu.

Und obwohl die Art zu Streiten zwar durchaus von Paar zu Paar individuell ist: Die Themen sind es nicht. Da variiert erstaunlich wenig, wie die Paartherapeutin aus Erfahrung berichtet: "Geld und Finanzen – das Thema wird unterschätzt und in der Paartherapie oft lange nicht angesprochen – außerdem Sex, Kinder einschließlich Erziehung, sowie Schwiegermütter."

Zwei verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Prägungen plus wiederkehrende Reizthemen – deshalb streiten sich Paare, und deshalb streiten sie sich auch alle anders.

Doch auch, wenn die Zeit danach so wichtig ist wie Konflikte in Beziehungen selbst: Komplett lässt sich das nicht trennen; Zoff und Versöhnung hängen zusammen. Wer zum Beispiel konstruktiver, lösungsorientierter und weniger verletzend streitet, erlebt logischerweise auch ein anderes Danach. Oder wie Beziehungsexpertin Bräu zusammenfasst: "Wenn nach einem Streit beide völlig fertig daliegen, ist eine Annäherung richtig schwer."

Viele Paare würden in der Regel schnell die Sachebene verlassen und auf der emotionalen Ebene landen. Genau da wird's dann kompliziert – und vor allem schmerzhaft. Was dann wiederum fürs Danach entscheidend ist. Logisch: Wenn sich ein Paar aus Wut oder Frust gegenseitig beschimpft oder kränkt, kann es das erstens nicht so leicht vergessen und hat damit zweitens auch kein Problem gelöst. "Das macht was mit einem", sagt Andrea Bräu, "und dann geht es auch schon lange nicht mehr um den eigentlichen Konflikt." Oft stecken unbewusste Verhaltensmuster und Trigger dahinter, die allein schwer zu erkennen und aufzulösen sind.

Nicht streiten ist aber auch keine Lösung. Wer nämlich, statt Meinungsverschiedenheiten auszutragen, Konflikte in Beziehungen schweigend unter den Teppich kehrt, riskiert damit auf Dauer auch, dass die Liebe leidet. "Das tun konfliktscheue Menschen gerne und dann staut es sich auf", erklärt Andrea Bräu. Der Haufen unterm Teppich wird immer größer. Bis irgendwann plötzlich gar nichts mehr geht.

"Diese Menschen sitzen dann bei mir und schmeißen vermeintlich nach Jahren alles hin. Für den Partner oder die Partnerin ist das dann oft unverständlich", sagt die Paartherapeutin. Dabei sei über die Jahre hinweg ein innerer an die Stelle des äußeren Konflikts getreten. "Und der ist in meinen Augen oft unverhandelbar", sagt Andrea Bräu.

Streiten ist also unzweifelhaft wichtig – aber eben richtig.

So löst du Konflikte in einer Beziehung

Damit Konflikte in einer Beziehung langfristig nicht die Liebe zum Erlöschen bringen, ist also am ehesten aktive Wiedergutmachung angesagt. Und zwar beidseitig und unbedingt auf Augenhöhe. Einander zuhören, Verständnis füreinander aufbringen, "Entschuldigung" sagen und sie annehmen, Lösungen vorschlagen, einen Kaffee machen, Küsschen geben oder ins Kino gehen sind Beispiele.

Nicht nur, dass sich das Glücks- und Zufriedenheitslevel dadurch wieder auf dem Vor-Zoff-Niveau einpendelt, aktive Wiedergutmachung kann die Beziehung sogar stärken.

Doch das funktioniert lediglich dann, wenn beide aus ihren unbewussten negativen Verhaltensmustern ausbrechen. Und das wiederum geht nur, wenn sie sie überhaupt erkennen. "Meine Klienten und Klientinnen bekommen fast immer die Hausaufgabe, sich selbst zu beobachten", sagt Andrea Bräu, "also zu gucken, wann und wodurch sie instabil werden und dann zu schauen, wie sie bisher damit umgegangen sind – Flucht, Aggressivität, Abwertung, Sucht, Manipulation, Sarkasmus."

Sobald sich Paare das bewusst gemacht haben, können sie ihre Verhaltensweisen überprüfen und anpassen. Sich nach einem Streit konstruktiver zu verhalten, bedeutet unter anderem, zu gucken: Worum geht's hier gerade, was macht mich da eigentlich wirklich so wütend?

Es ist essentiell, den eigenen Anteil an Konflikten in Beziehungen zu erkennen, anstatt dem*der anderen die Schuld zu geben. "Es gehören immer zwei dazu", sagt auch Andrea Bräu. Das jedoch macht Arbeit und ist anstrengend. "Aber erst, wenn Paare das verstanden haben, können sie entscheiden, ob sie da was verändern wollen", sagt die Paartherapeutin.

Hier findest du mehr Artikel zum Thema Liebe und Beziehung: