2017 wurde die Altstadt Mossuls beinahe vollständig zerstört. Auch fast zwei Jahre nach der Befreiung von der Terrorgruppe Daesh liegen große Teile der Stadt in Trümmern.

Breit schlängelt sich der Tigris durch Mossul. Der Fluss teilt die nordirakische Stadt in zwei Hälften, eine Ost- und eine Westseite. Im Westen befindet sich die Altstadt – ehemals ein Labyrinth aus kleinen Gassen und Häusern, die teilweise im 19. Jahrhundert entstanden sind. Das Herz des Viertels ist die Al-Nuri-Moschee, ein Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert. Heute ist von der einstigen Pracht der Altstadt nichts mehr zu erkennen. Die Straßen sind voller Geröll und Autowracks, die Häuser zerbombt, die Große Moschee zerstört.

2014 wurde Mossul von der Terrororganisation, die sich selbst Islamischer Staat (IS) nennt, eingenommen. Ihr Anführer Abu Bakr al-Baghdadi rief in der Al-Nuri-Moschee sein Kalifat aus. Fast drei Jahre lang dauerte die Schreckensherrschaft des Daesh, wie der IS im Arabischen genannt wird, an. Im Januar 2017 eroberten irakische Streitkräfte mit Unterstützung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer*innen sowie der von den USA geführten Koalition den Ostteil der Stadt zurück. Im Juli 2017 verkündete der damals amtierende irakische Ministerpräsident, Haider al-Abadi, die vollständige Rückeroberung der Stadt. Die monatelangen Straßenkämpfe hatten insbesondere den Westteil Mossuls in ein Trümmerfeld verwandelt.

Auch zwei Jahre nach der Befreiung ist West-Mossul noch ein Trümmerfeld

Die Filmemacherin Anne Poiret begleitete für ihre Dokumentation Mossul, nach der Schlacht ein Jahr lang Iraker*innen beim Wiederaufbau der Stadt. Der Film zeigt, wie im Osten Mossuls langsam wieder Leben einkehrt: Autoschlangen, tanzende Hochzeitsgäste, Sanierungsarbeiten an der Universität sind zu sehen. Doch der Westteil der Stadt ist bis heute weitgehend unbewohnbar.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) listet im April 2019, also beinahe zwei Jahre nach dem Ende der Kämpfe, immer noch mehr als 300.000 einstige Bewohner*innen Mossuls als Vertriebene im Land, sogenannte Binnenvertriebene. Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation REACH geben 78 Prozent der Mossuler Binnenvertriebenen an, dass ihr Haus beschädigt oder zerstört wurde. Nach Angaben der Vereinten Nationen müssen in Mossul mehr als 40.000 Häuser repariert oder neu aufgebaut werden, die Kosten werden auf viele Milliarden Euro geschätzt.

Die Nachrichtenagentur Reuters nennt verschiedene Gründe, warum sich der Wiederaufbau der Stadt zieht: Die Stadtverwaltung habe nicht genug Equipment, die Trümmer wegzuräumen. Der Regionalgouverneur sagt, er verfüge über zu wenig Geld – gleichzeitig wird ihm Korruption vorgeworfen. Es gebe keine Strategie, es herrsche Chaos, sagen Anwohner*innen.

Viele Familien müssen den Wiederaufbau ihrer Häuser selbst finanzieren

Viele Familien hätten finanzielle Probleme, berichtet Reuters. Einige würden sich verschulden und sich Geld von Freund*innen leihen. Viele seien von Wohltätigkeitsorganisationen abhängig. Andere mieten sich Wohnungen an, die Preise steigen immer weiter an.

Zahlreiche Menschen können sich weder den Wiederaufbau ihrer Häuser noch die Miete für eine neue Wohnung leisten. Einer von ihnen ist Muhammed Hassan Yunis, über dessen Geschichte das Norwegian Refugee Council (NRC) berichtet hat. Muhammed Hassan Yunis wohnt mit seiner Frau und sechs Kindern auch zwei Jahre nach der Befreiung der Stadt noch in einem Geflüchtetencamp südlich von Mossul. Sein Haus ist zu beschädigt, als dass man dort leben könnte. Muhammed hat keinen Job und ohne staatliche Unterstützung kann er sich den Wiederaufbau nicht leisten – von der Miete für eine Wohnung ganz zu schweigen. Er und seine Familie sind darauf angewiesen, gratis in den Zelten der Nichtregierungsorganisationen zu leben.

"Trotz der Aufmerksamkeit, die Mossul vor zwei Jahren bekam, wurden die Binnenvertriebenen der Stadt vergessen", kritisiert Rishana Haniffa, Direktorin des NRC im Irak. Anlässlich des Jubiläums der Befreiung der Stadt veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation Fotos, die das Ausmaß der Zerstörung der Altstadt Mossuls zeigen. Das NRC hilft dabei, Häuser wieder instand zu setzen.

In ihrem Film über den Wiederaufbau Mossuls erzählt Anne Poiret von der Angst, die viele Einwohner*innen umtreibt: dass Daesh wiederkommt. "Unser aller Zukunft ist eng mit dem Schicksal von Mossul verbunden", sagt Poiret. "Denn das Versagen der internationalen Gemeinschaft und des irakischen Staats, das erneute Vorherrschen von Korruption und Instabilität schaffen Bedingungen, die ein neues Erstarken des IS nur allzu sehr begünstigen."