Als Erwachsene Sommerurlaub mit Mutti und Vati (oder Mutti und Mutti oder Vati und Vati, je nachdem) machen – was für manche Menschen nach dem Plot eines Horrorfilms klingt, ist für andere das Highlight des Jahres. Und das sind gar nicht so wenige: Laut Untersuchung des Mietwagenanbieters Rent-A-Car von 2018 machen über 60 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 34 Jahren Urlaub mit den Eltern.

Ist ja in der Regel günstiger, sich ein Ferienhaus oder Apartment zu teilen, und im Grunde auch eine schöne Idee, mal wieder in Ruhe ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen. Doch der Urlaub mit den Eltern kann in Stress ausarten. Denn im Gepäck stecken nicht nur Badeklamotten und Sonnencreme – sondern oft auch schlummernde Konflikte, die nur darauf warten, aus dem Koffer zu krabbeln.

Dann droht der Urlaub mit den Eltern, so was ähnliches wie Weihnachten XXL zu werden: alle auf engstem Raum, uralte Rollenmuster, obendrauf ordentlich Erwartungen und Harmoniedruck plus Sangria und Ouzo – und das für ganze zwei Wochen statt nur für zwei Tage.

"Für Weihnachten haben die meisten Familien feste Rituale entwickelt, die wahlweise schön, rührend oder nervig sein mögen, aber immerhin den Ablauf des Festes strukturieren", sagt die Soziologin und Familienberaterin Dr. Hella Dietz. "Ein längerer Urlaub wird vermutlich eine größere Herausforderung an ehrliche und offene Kommunikation."

Doch es gibt ein paar Dinge, die du bedenken und umsetzen kannst und die mit Glück dafür sorgen, dass du den Urlaub mit den Eltern unbeschadet überstehst und ihr eine entspannte Zeit zusammen habt.

Das sind Probleme im Urlaub mit den Eltern

Ein schwelender Konfliktherd bei Urlaub mit den Eltern sind alte Muster und Rollenverteilungen. Die sind zum Teil so tief in der Psyche verwurzelt, dass weder du noch deine Eltern sie bemerken.

"Meist haben wir eine relativ feste Rolle in der Familie", erklärt Dr. Dietz. "Mit dem Auszug erobern wir uns eine neue Welt, verändern uns. Aber bei Familienbesuchen fallen wir trotzdem fast automatisch in die alte Rolle." Ein sehr vereinfachtes Beispiel: Bei dir zu Hause bringst du dein benutztes Geschirr immer direkt selbst in die Küche; bei den Eltern übernimmt das Papa und kümmert sich.

Derartige Rollenverteilungen und Verhaltensmuster beeinflussen so ziemlich jede familiäre Interaktion und reichen bis in die hintersten Winkel der Seele. Dabei gilt: Je unbewusster, desto schwieriger – und desto heftiger der potenzielle Konflikt. Das wird im Urlaub noch verstärkt. "Je länger wir Zeit miteinander verbringen, desto deutlicher zeigt sich meist, was an der alten Rolle nicht mehr passt", sagt die Familienberaterin. Die Fassaden bröckeln.

Erholung und Entspannung am Urlaubsort hängen auch damit zusammen, wie sehr deine Eltern an dir als Kind festhalten wollen oder dich tatsächlich als sich entwickelnde*n Erwachsene*n akzeptieren. "Mit dem Auszug der Kinder endet auch für Eltern ein Lebensabschnitt. Obwohl die meisten wissen, dass es gut ist, wenn Kinder ihre eigenen Wege gehen, werden sich manche vielleicht insgeheim ein Stück der alten Vertrautheit zurückwünschen", sagt Hella Dietz. "Für Eltern ist es nicht leicht, aus alten Routinen auszubrechen."

Das kann sich dann beispielsweise in Bevormundung zeigen. Und niemand möchte im Urlaub gern bevormundet werden.

Übrigens heißt das nicht, dass Eltern diese Muster vollumfänglich prima finden. Auch für sie kann das unbewusste Rollenverhalten stressig und anstrengend sein – wenn sie zum Beispiel plötzlich wieder Verantwortlichkeiten spüren, die sie schon vor Jahren abgegeben haben. In der Folge können sie sich ausgenutzt, überfordert und nicht wertgeschätzt fühlen. Und auch das führt zu Spannungen.

Ob der Urlaub mit den Eltern entspannt und erholsam ist, hängt also folglich in erster Linie davon ab, wie gut und akzeptierend oder konfliktbehaftet euer Verhältnis grundsätzlich ist und wie reflektiert ihr seid.

Harmoniedruck und Alltagszoff

Doch neben schlummernden Altkonflikten gibt es im Urlaub auch recht banale, pragmatische Aspekte, die zu Missstimmung, Reibung und Streit führen können.

Ein Beispiel: Anfang der 2000er sind mein damaliger Partner und ich in das Ferienhaus seines Vaters und dessen Frau in Spanien gereist. Einfach, weil wir uns zu dem Zeitpunkt anders keinen Urlaub hätten leisten können. Die ersten zwei Tage lief es okay, aber dann wollten wir uns an Unterhalt und Essen beteiligen, sind einkaufen gefahren – und wurden von der Partnerin seines Vaters angeschrien, weil wir im falschen Supermarkt waren. Die Situation ist eskaliert, wir sind entnervt und enttäuscht wieder abgereist.

"Konflikte entstehen oft um die gleichen Themen", meint Hella Dietz. Dazu gehören Fragen nach der Verantwortlichkeit, nach der gemeinsam und getrennt verbrachten Zeit. "Doch auch vermeintlich banale Alltagssituationen bergen Konfliktpotential", so die Expertin.

Ein weiterer Auslöser für Missstimmungen sind unterschiedliche Interessen. Wenn die Eltern um sechs Uhr früh zur Tagestour aufbrechen wollen und die jungen Leute dann erst nach Hause kommen. Oder halt umgekehrt. Das gleicht sich aber häufig mit fortschreitendem Lebensalter an.

Dazu kommt, dass viele Menschen in so einer Situation wie Urlaub zur Überanpassung neigen – aus lauter Harmoniebedürfnis machen sie gute Miene zum anstrengenden Spiel, bis ihnen schließlich scheinbar aus dem Nichts heraus der Kragen platzt. Doch all das muss nicht sein.

So klappt der Urlaub mit den Eltern

Wenn du ein rundum herrlich entspanntes Verhältnis zu deinen Eltern hast, bist du vom Glück begünstigt und musst dir auch im Urlaub mit den Eltern keine Gedanken machen. Alle anderen jedoch können sich ein wenig vorbereiten.

Wichtig ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Grenzen zu kennen und zu kommunizieren, idealerweise vor dem Urlaub. Wer erwartet was – und was steckt gegebenenfalls dahinter?

Es kann zum Beispiel sein, dass Papa die ganze Zeit mit der Familie zusammen Gesellschaftsspiele zocken will, während Mutti eigentlich nur am Pool rumliegen und lesen möchte und der Rest komplett auf Sightseeing aus ist. Je klarer ihr besprecht, was jede*r von dem Urlaub braucht und sich wünscht, desto weniger Diskussionen und Streit gibt es vor Ort.

Für den Fall, dass die Interessen und Bedürfnisse der Familienmitglieder zu verschieden sind oder die grundlegenden Konflikte zu leicht entflammen, lieber auf getrennte Zimmer, Apartments oder auch Häuser setzen. Das kann den Unterschied ausmachen zwischen beste Ferien ever und Urlaub aus der Hölle.

Da auch Geld häufig ein Streitpunkt ist: Vorher klären, wie das mit den Rechnungen läuft – wer zahlt wann was, wer beteiligt sich wie? So wird vermieden, dass jemand dauernd ein schlechtes Gewissen hat oder sich ausgenutzt fühlt.

Und nicht nur die Räumlichkeiten, auch die Aktivitäten können durchaus getrennt sein. Nur weil ihr als Familie verreist, müsst ihr nicht 24/7 aufeinander hocken – außer natürlich, alle wollen das so. Es kann durchaus Team Strand, Team Party, Team Ausschlafen und Team Tagestour geben, mit wechselnden Mitgliedern. Und da bietet es sich zum Beispiel an, gemeinsame Mahlzeiten – Frühstück oder Abendessen, je nachdem – als Anker- und Treffpunkte für alle zu installieren. Dann gibt es feste Familienzeiten und trotzdem kann jede*r sich auf eigene Weise erholen.

Emotionale und logistische Vorbereitung

Ja, über all das zu sprechen, fällt schwer. Wie schwer, das ist von Familie zu Familie unterschiedlich. Aber es lohnt sich. "Meist ist es gar nicht so leicht, aus alten Routinen auszubrechen und offen und ehrlich darüber zu sprechen, was wir uns anders wünschen", sagt auch Familienberaterin Dietz. Dennoch kann das entscheidend dafür sein, Urlaub mit den Eltern verbringen und erholt und entspannt zurückzukommen.

Im Grunde sei es laut Dr. Dietz auch gar nicht wünschenswert, Konflikte immer nur zu umgehen – im Gegenteil. "Wenn es uns gelingt, Konflikte als Aufforderung zu verstehen, miteinander in Dialog zu treten, unsere gegenseitigen Interessen und Bedürfnisse besser kennenzulernen und abzustimmen, bringt das alle Beteiligten weiter."

Und so kannst du mit ein wenig emotionaler und logistischer Vorbereitung durchaus Urlaub mit den Eltern machen, ohne hinterher enterbt zu werden – und als Souvenir vielleicht sogar ein noch bessere Verhältnis mitbringen.