"Wann ist ein Mann ein Mann?", fragt der deutsche Musiker Herbert Grönemeyer in seinem Song Männer und stellt damit 1984 eine Frage, die viele Menschen noch heute umtreibt, über die viel diskutiert wird, die viele Debatten auslöst. Was macht einen Mann aus? Was gilt als männlich? Was gilt als unmännlich? Warum hängen wir auch heute noch an Definitionen, wollen Menschen in Schubladen stecken und gleichzeitig doch alle individuell sein? Gerade die aktuelle Diskussion um Toxic Masculinity, also toxische Männlichkeit, zeigt, dass das Kategorisieren von Menschen, das Einordnen und Zuschreiben von Verhaltensweisen und veralteten Rollenbildern nicht dem Zeitgeist entspricht und sogar gefährlich sein kann.

Denn was macht es mit uns, wenn wir die Erwartungen, die eine Gesellschaft an uns stellt, nicht erfüllen können, wenn wir ihnen nicht gerecht werden? Toxische Männlichkeit beschreibt diese Problematik: Männliche Personen, die etwa Angst haben, Schwäche zu zeigen, Gefühle zuzulassen oder diese offen zu kommunizieren, können psychische Probleme bekommen, ihre mentale Gesundheit kann unter einem toxischen Konzept von Männlichkeit leiden. Das ist auch der englisch-italienischen Fotografin Jessica Amity bewusst. Die in Nepal lebende Künstlerin hat sich im Rahmen der #MeToo-Bewegung mit dem Verständnis von Männlichkeit auseinandergesetzt. Für ihr Fotoprojekt To Be A Man, also Ein Mann zu sein, fotografiert sie Männer aus aller Welt und fragt, was es für sie bedeutet, ein Mann zu sein.

Männlichkeit als ein Spektrum

Auf die Idee zu dem Projekt kam sie, als sie ihre Fotobücher durchblätterte und dabei merkte, dass es in diesen häufig nur um Frauen geht: "Um die Schönheit von Frauen, die Stärke von Frauen und all so was ... Nicht, dass mich das gestört hätte, aber ich dachte mir: Was ist mit Männern? Was sollte über Männer geschrieben werden? Und da kamen mir sofort drei Askpekte in den Sinn: Mentale Gesundheit und Wohlbefinden, der Begriff Männlichkeit und die #MeToo-Bewegung", erklärt Jessica gegenüber ze.tt. Also beschloss die Fotografin, sich intensiver mit diesen Themen auseinanderzusetzen. "Wir müssen verstehen, dass toxische Männlichkeit weder einfach ein anderer Begriff für Männlichkeit ist, noch dass es für den Ausdruck von Männlichkeit steht. Gleichwohl existiert eine Männlichkeit, die in der Tat toxisch ist. Und dieses Verständnis wurde der Standard, welcher einen 'echten Mann' definiert und der die eigene Männlichkeit in Frage stellen kann", sagt sie.

Mit der Porträtserie möchte sie gerne den Dialog, den die #MeToo-Bewegung angestoßen hat, weiterführen und männliche Personen noch stärker mit einbeziehen: "Ich möchte zeigen, dass Männer Verbündete sein können und dass es wichtig ist, dass neben Frauen auch Männer Geschlechterrollen in Frage stellen." Sie selbst würde sich, wie sie betont, keinesfalls als eine Expertin auf diesem Gebiet bezeichnen, aber sie ist überzeugt: "Ich glaube, dass Männlichkeit nicht unzerlegbar ist, sondern dass sie ein Spektrum ist." Deshalb wollte sie ganz unterschiedliche Männer zeigen, die eben jene Charakterzüge und Eigenschaften leben, von denen ihnen eigentlich gesagt wird, dass sie diese nicht zeigen sollen, da sie als vermeintlich unmännlich gelten. "Ich hoffe, dass sich diese Ideen verbreiten und die Männer erreichen, die Schwierigkeiten haben, zu akzeptieren, dass Dinge wie emotionale Verletzlichkeit und Mitgefühl Stärken und keine Schwächen sind," sagt Jessica.

Shushrut aus Nepal

"Ich trage gerne Make-up. Ein heterosexueller Mann zu sein, gibt mir das Privileg, bequem zu sein. Denn als Mann sitze ich mitten im Zentrum des Systems, das die Welt lenkt. Man kann sich immer sicher sein, dass der Selbstausdruck etwas wert ist. Doch Menschen, die sich nicht als heterosexuelle Männer verstehen, haben diesen Luxus nicht. Der Ausdruck ihrer Selbst kann mit Unsicherheiten verbunden sein. Deshalb ist es mir wichtig, dass ich mein Privileg nutze, um zu zeigen, dass auch andere Arten des Selbstausdrucks, die vielleicht nicht dem Standard entsprechen, etwas wert sind. Wenn ich mich auf eine traditionell eher feminin gelesene Weise zeige, möchte ich damit zeigen, dass eine gesunde Männlichkeit auch Platz für ganz unterschiedlichen Ausdruck hat, so unterschiedlich wie alle Menschen."

Sonam aus Tibet

"Ich finde es okay, einige meiner kulturellen Werte zu missachten und anzuprangern, sofern sie auf sexistischen Ideologien oder Vorurteilen beruhen. Diese Denkweisen würden an einer Welt festhalten, in welcher der männliche Chauvinismus und die Frauenfeindlichkeit weiterhin herrschen, einer Welt, in der meine Mutter, meine Schwestern und vielleicht auch meine zukünftigen Töchter leben müssen."

Fabio aus Brasilien

"Es ist für mich in Ordnung, ein Mann zu sein, der keine Angst davor hat, seine emotionale Seite zu zeigen. Meine Gefühle sind ein Teil von mir. Die Stärke zu besitzen, diese zu zeigen, statt sie zu verstecken, ist reine Freiheit."

Zach aus den USA

"Ich bin gerne der kleine Löffel. Männer werden auch gerne gekuschelt."