Neiderfüllt blicken wir Balkonlose auf die von Glück und städtischer Architektur mit einem Balkon gesegneten Nachbar*innen. Während sie sich hingebungsvoll Keimlingen, Tomaten und Basilikum widmen, drückt sich unsereins betrübt die Nase an der Fensterscheibe platt.

Doch das muss nicht sein. Denn es gibt ein paar Pflanzen, die sich durchaus auch auf der Fensterbank anbauen – und ernten – lassen. Eine Gartenexpertin verrät, wie es funktioniert.

Grundvoraussetzungen für den Garten auf der Fensterbank

Licht, Erde, Platz, Wasser, Dünger – das sind die wichtigsten Aspekte beim Gärtnern, innen und außen. Zunächst ist beim Fensterbankgarten deshalb, ähnlich wie bei der Balkonbepflanzung, umfassende Beobachtung entscheidend. Wie viel Licht kommt wann woher? Es gibt beispielsweise Pflanzen, die gar nicht genug Sonne bekommen können; andere brauchen eher Halbschatten. Wer die Anforderungen des jeweiligen Gewächses recherchiert, berücksichtigt und die richtigen Bedingungen schafft, hat robustere Pflanzen, weniger Stress und letztlich auch eine bessere Ernte.

Wenn alle Fenster komplett nach Norden gehen, wird es etwas schwierig. Natürlich gibt es auch Pflanzlampen, mit denen Gemüse gedeiht – da musst du aber wissen, ob dir dein Indoor-Garten das wert ist.

Außerdem gibt es ja nicht nur eine Fensterbank innen, sondern oft auch außen. Die ist laut der Pflanzenwissenschaftlerin und Buchautorin (Bio-Gärtnern am Fensterbrett) Brigit Lahner gut für den Anbau von Pflanzen und kleinerem Gemüse geeignet: "Ich würde soweit möglich zuallererst das Außenfensterbrett nutzen. Dort fährt man mit klassischen Gemüse- und Kräuterarten besser."

Das hat vor allem mit der Lichtstärke zu tun. "Tatsächlich erhalten Pflanzen an einem Südfenster nur halb so viel Licht wie unter gleichen Bedingungen im Freien", meint Birgit Lahner. "Ohne ausreichend Sonne ist das Wachstum der Pflanzen stark eingeschränkt. Ihre Blätter werden blass, die Triebe dünn und langgestreckt. Radieschen, Salat und Tomate oder Kräuter wie Thymian und Oregano gedeihen draußen langfristig einfach besser."

Aber Vorsicht: Die Töpfe oder Kästen müssen extrem gut befestigt und gesichert sein, dürfen auch bei Wind und Wetter auf keinen Fall runterfallen. Und außen in die Fassade bohren ist oft nicht erlaubt. "Sehr wichtig ist es, auf die fachgerechte Sicherung von Gefäßen draußen auf dem Fensterbrett zu achten", sagt auch Birgit Lahner. "Muss dazu die Fassade angebohrt werden, sollte das auf alle Fälle vorab mit dem Vermieter besprochen werden."

Dazu kommt das Gießen: Wer seinen Mitmenschen einen überraschenden Regenschauer ersparen will, gießt vorsichtig und eher in kleineren Schlucken statt schwallweise. "Um zu vermeiden, dass Gießwasser die Hauswände hinunterläuft, immer Untersetzter für Pflanzentöpfe und -Kästen verwenden", rät die Gartenexpertin.

Ausrüstung für den Indoor-Garten

Klingt ein kleines bisschen zu stressig? Keine Sorge, das ist okay. Auch innen auf der Fensterbank wächst so einiges; im Grunde ist eine Wohnung ja auch bloß ein bewohntes Gewächshaus.

"Für den Innenraum kann ich neben Keimsaaten für die Sprossenanzucht auch einige exotische Arten aus den Tropen und Subtropen empfehlen: Kardamom, Kaffirlimette oder Jamaika-Thymian etwa", sagt Birgit Lahner. "Sie gedeihen auch ohne zusätzliche Pflanzenlampen recht gut."

In Sachen Equipment ist für den Garten auf der Fensterbank sonst im Grunde nicht viel nötig. Erde, Töpfe, gegebenenfalls Stangen und Stützen – zum Beispiel für Tomaten. "Neben den passenden Gefäßen und guter Pflanzenerde braucht man nicht viel. Häufig kann man improvisieren. Fürs Pikieren von Jungpflanzen reicht ein Bleistift, zum Gießen ein Milchkännchen, zum Lockern verkrusteter Erdoberflächen eine Essgabel", sagt Birgit Lahner.

Es muss auch kein teures Terracotta sein; Pflanzgefäße lassen sich improvisieren. Zum Beispiel aus alten PET-Getränkeflaschen. Wichtig jedoch ist immer Drainage, also die Möglichkeit, dass überschüssiges Gießwasser abfließen kann. Sonst kommt es unter Umständen zu Staunässe und dann können die Wurzeln verfaulen.

Diese Pflanzen wachsen in der Wohnung

Vorab: Im Garten an der frischen Luft wächst und gedeiht alles besser, also ist beim Fensterbankgarten Erwartungsmanagement angesagt. Ein unbestreitbarer Vorteil vom Indoor-Gardening ist jedoch, dass die Saison länger dauert als draußen.

Neben den erwähnten Sprossen wie Kresse, Mungobohnen- oder Erbsensprossen wachsen auch Kräuter gut auf der Fensterbank. Allen voran Basilikum, Schnittlauch und Petersilie – sie kommen selbst an halbschattigen Orten klar. Mediterrane Kräuter wie Thymian hingegen sollten idealerweise südlich oder südwestlich stehen. Schlau ist es zudem, die Kräutersamen selbst zu säen (nicht zu dicht) und so gesunde Pflanzen zu bekommen; die Töpfe aus dem Supermarkt sind zu eng bepflanzt und nur dazu da, schnell verspeist zu werden. Für die Anzucht eignen sich Eierkartons oder Joghurtbecher.

Bei Tomaten sind vor allem kleine Sorten, also Cherry- oder Naschtomaten, und große Töpfe (mindestens zehn Liter) geeignet. Am besten die Haltestäbe gleich zu Anfang in den Topf stecken; zur Befruchtung die Tomate später ab und zu vorsichtig schütteln. Solo-Blümchensex, quasi.

Radieschen brauchen nicht lange bis zur Ernte, Ähnliches gilt für Pflücksalate wie Lollo Rosso oder Lollo Bianco. Und auch Rucola, Feldsalat und Spinat wachsen auf der Fensterbank.

Außerdem kannst du in der Wohnung relativ problemlos alles aus der Paprikafamilie anbauen. Wenn du Pflanzkübel hast, die tief genug sind, geht auch Wurzelgemüse wie zum Beispiel Möhren. Und mit einer vertikalen Rankhilfe – wie Bambusgerüst, Holzstäbe oder gespannten Jutefäden – gedeihen sogar Erbsen und Bohnen am Fenster. Dazu kommt Familie Lauch mit Zwiebeln, Knoblauch, Porree und Co., aber auch wärmeliebende Schlangengurken fühlen sich in der Wohnung wohl.

Was auf der Fensterbank hingegen nicht so gut funktioniert sind Obstsorten oder Zitrusfrüchte. Sie brauchen extrem viel Sonnenlicht und sind auf Bestäubung durch Insekten angewiesen.

Indoor-Gardening macht glücklich

Ja, es ist Arbeit. Aber der Garten auf der Fensterbank lohnt sich. "Mit der passenden Pflege und der richtigen Pflanzenwahl können auch sehr kleine Flächen verhältnismäßig gute Erträge bringen", sagt Birgit Lahner. "Küchenfertige Schnittkräuter sind relativ hochpreisig. Ein eigener kleiner Kräutergarten macht sich deshalb bald bezahlt." Das trifft auch auf Spinat oder Pflücksalate zu.

Doch ein Fensterbankgarten ist nicht nur aus Kostengründen eine gute Idee, sondern auch, weil er glücklich macht. "Vordergründig geht es beim Gärtnern am Fenster nicht um große Erträge, sondern um das gute Gefühl, wenn man die ersten Keimlinge beim Durchbrechen der Erde beobachtet, süße Erdbeeren pflückt oder nach dunklen Wintertagen Kräuter wieder kräftig austreiben sieht", sagt auch die Pflanzenexpertin. "Selbst wenn nur sehr wenig Platz zur Verfügung steht, ist es ein gutes Gefühl, Pflanzen beim Wachsen zuzusehen – sind sie noch dazu essbar, ist die Freude gleich noch ein Stück größer."

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