"... deswegen freue ich mich, dass wir uns heute über die Philosophie von Nestlé unterhalten haben." Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner lächelt Marc-Aurel Boersch, Deutschland-Chef des Lebensmittelkonzerns Nestlé freundlich zu. Der kurze Videoclip, in dem Ministerin und Konzernchef über ihr Gespräch resümieren, wurde am Montag vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf Twitter veröffentlicht.

Youtuber Rezo kommentierte unter dem Video, dass er das Video bei gleichem Inhalt auf seinen Kanälen als Werbung kennzeichnen müsste und warf der Ministerin damit Schleichwerbung vor. Aus der Luft gegriffen ist dieser Vorwurf nicht: Klöckner präsentiert sich und Boersch als Team, gemeinsam im Kampf gegen zu hohe Zucker-, Fett- und Salzwerte in Fertigprodukten. Sie habe viel Neues im Gespräch mit Boersch erfahren, erklärt die Landwirtschaftsministerin.

Gegen die Kennzeichnungspflicht auf Twitter verstößt das Video nicht. Trotzdem stehen Twitternutzer*innen vor der Frage, warum sich die Ministerin bei einem so wichtigen Thema ausgerechnet von einem Lobby-Vertreter beraten lässt. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg prüft den Fall.

Kooperation mit einem Großkonzern

In dem Video wirft Klöckner außerdem die Frage auf, wie die Produktion von Lebensmitteln "mit unserer Umwelt gut vereinbar" sei. Dass sie sich für dieses Thema ausgerechnet einen Mitarbeiter von Nestlé als Gesprächspartner ausgesucht hat, verwundert viele. Der Konzern wird von Umweltaktivist*innen immer wieder scharf kritisiert, regelmäßig rufen Menschen zum Boykott von Nestlé-Produkten auf.

Grund dafür ist unter anderem der Erwerb von Wasserrechten, die der Konzern von staatlichen Wasserbehörden kauft. Dadurch kann das Unternehmen Grundwasser abpumpen und in Flaschen abgefüllt weiterverkaufen. Gerade in Regionen, in denen Wasser sowieso knapp ist, wird Menschen dadurch der Zugang zu Trinkwasser erschwert und der Grundwasserspiegel gesenkt. Nestlé wies diese Vorwürfe in der Vergangenheit jedoch zurück.

Weiter betreibt das Unternehmen für einige seiner Produkte Tierversuche und rodet für den Abbau von Palmöl Teile des Regenwalds ab. Auf die letzte Kritik reagierte der Konzern und gab an, bis 2015 wolle man nur noch nachhaltig angebautes Palmöl verwenden. Dieses Ziel wurde verfehlt, der Konzern peilt 2020 an.

Kritik und Belustigung

Inzwischen haben sich zahlreiche Personen aus Politik und Unterhaltung zu dem Video geäußert, darunter die Fraktionsvorsitzende der Grünen Katrin Göhring-Eckert, SPD-Politiker Karl Lauterbach und der Satiriker Shahak Shapira. Ricarda Lang, Bundessprecherin der Grünen Jugend, twitterte, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wolle zum Weltumwelttag endlich mal etwas Gutes tun – in Form eines gratis Werbevideos für Nestlé.

Julia Klöckner wies alle Vorwürfe von sich. In einem Tweet bezeichnete sie die Kritik an dem Video als Hatespeech und erklärte, Demokratie funktioniere nicht ohne die differenzierte Beschäftigung mit Themen. Dazu gehört für die Politikerin anscheinend auch die Kooperation mit Lobbyvertreter*innen.

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