Der folgende Text ist spoilerfrei, wir setzen aber Kenntnis um die vorangegangenen Star Wars-Filme voraus.

Er schafft den Kesselflug in weniger als zwölf Parsec. Han Solo ist der beste Pilot der Galaxis. Der gewiefteste Schmuggler der Galaxis. Und Harrison Ford verlieh ihm 1977 das charmanteste Lächeln der Galaxis. Die Figur gilt als die beliebteste der Star Wars-Reihe.

Solo: A Star Wars Story, der neunte Film und das zweite Spin-off des Franchise, erzählt Fans nun die Vorgeschichte des Charakters. Und es gibt wohl eine Frage, die alle Fans vor dem Kinobesuch umtreibt: Sind die Fußstapfen Fords nicht eine Nummer zu groß für seinen Nachfolger Alden Ehrenreich – kann er den Han Solo spielen? Wir wollen sie hier beantworten.

Eine Parabel über Verrat und Vertrauen

Der junge Han ist in diesem Film ein heißblütiger und bisweilen tollpatschiger Jungspund, der seinen Platz in der Galaxis erst noch finden muss. Früh im Film erfahren wir nicht nur, wie er zu seinem Nachnamen kam, sondern auch, dass er Verlust kennt. Denn vor Leia gab es schon einmal eine Liebe, die Hans Leben in eine entscheidende Richtung lenkte; die Rolle der Qi'ra wird dabei wunderbar vielschichtig von Emilia Clarke gespielt.

Überhaupt geht es überwiegend um die schlechten Erfahrungen, die Han Solo formten. Sein Mentor Beckett, gespielt von Woody Harrelson, rät ihm, niemandem in der Galaxis zu vertrauen. Und tatsächlich: Verrat, Lügen, Leichtsinn – diese Themen werden ab der zweiten Hälfte zu den Grundthemen des Films. Wer führt hier wen hinters Licht? Wer betrügt wen, wer ist wem einen Schritt voraus? Die Handlung umkreist dieses Spannungsfeld konsequent bis zum Ende und stellt Han emotional öfter auf die Probe, als ihm lieb ist.

Diese filmische Stringenz ist es, die Solo sehenswert macht. Wussten Rogue One und Die letzten Jedi nicht so ganz, wohin der ganze Actionbombast erzählerisch eigentlich führen soll und ganze Passagen überflüssig waren – man erinnere sich nur an den Casinoplaneten –, so ist genau das die Stärke des neuen Spin-offs. Es erzählt ein in sich geschlossenes Abenteuer, in dem nahezu jede Kameraeinstellung Sinn trägt.

Eine weitere Stärke des Films ist sein Hauptdarsteller: Ja, er kann Han. Ehrenreich gelingt ein beeindruckender Spagat. Er beherrscht einerseits das Ford'sche Schlitzohrlächeln und seine berühmte Haltung beim Blasterschuss. Andererseits verleiht er der Figur auch etwas Neues, etwas, das man von Han Solo bislang nicht kannte: Unsicherheit.

Das erste echte Spin-off, ganz ohne Todessternromantik

An Tiefe gewinnt während der etwas über zwei Stunden nicht nur Han. Wir sehen auch, wie sich das Band zwischen ihm und Chewbacca formt und warum es danach nie mehr riss. Fans dürfte vor allem überraschen, wie die zwei sich letztlich kennenlernten.

Im kollektiven Gedächtnis werden auch die Szenen mit Lando Calrissian bleiben. Donald Glover spielt ihn mit einer so unverschämt charmanten Lässigkeit, dass die Lucasfilm-Chefin sich einen eigenen Film über seinen Charakter wünscht.

In Solo menschelt es an allen Ecken, vom Bösewicht zur Wüstenrebellin. Es bleibt Raum für dezente Witze und einen Hauch Slapstick; etwa durch eine Droidin, die sich nichts sehnlicher wünscht als Gleichberechtigung. Der starke Fokus auf Charaktere, Zwischenmenschlichkeiten und Schauplätze lässt endlich, endlich einmal wieder ganz klassische Star Wars-Gefühle aufkommen. Die standen bei den vorangegangen zwei Filmen hinten an. Das beste an Solo ist jedoch, dass er erstmals eine neue, eigene Geschichte erzählt – statt nur die alte Leier um die Rebellen und das Imperium zu reproduzieren.

Einziger Kritikpunkt: Nach dem Abspann möchte man eigentlich mehr von allem sehen. Denn obwohl wir nun wissen, dass die Legende des Kesselflugs in unter zwölf Parsec wahr ist, bleibt noch genug übrig, das über Han Solo erzählt werden könnte.