Seit Monaten gehen in Deutschland Schüler*innen auf die Straße, um für eine bessere Klimapolitik zu appellieren. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner spricht ihnen ab, sich dazu fundiert äußern zu können und verkündete via Twitter:

"Das ist eine Sache für Profis", schreibt er. In der Talkshow Anne Will versuchte er nach heftiger Kritik vieler, seine Äußerungen klarzustellen. "Klimaziele werden demokratisch entschieden, da wird demonstriert, aber bei Diesel bis zur Energiepolitik sollten wir bei der Erreichung der Ziele stärker wieder auf Naturwissenschaftler, Techniker und Ingenieure vertrauen. Denn wir können uns gegenseitig sagen, dass wir keine guten Zähne haben, aber wir gehen danach zum Zahnarzt, um das richten zu lassen, weil der hat wirklich Ahnung davon", erklärte er der Moderatorin.

Die haben doch keine Ahnung

Doch was möchte Lindner eigentlich damit sagen? Ich verstehe ihn so: Die Kinder, die gehören in die Schule. Die sollen nicht auf die Straße und sich für irgendwelche Klimaziele stark machen. Die haben da doch keine Ahnung von. Wissenschaftler*innen, Klimaforscher*innen und Co. – die haben Ahnung, auf die sollten wir hören. Aber doch nicht auf diese Jungspunde, die noch ganz grün hinter den Ohren sind, und sich ihre Pausenbrote von Mama oder Papa schmieren lassen. Die kann und sollte man nicht ernst nehmen, die verstehen das doch gar nicht alles.

Zunächst denke ich nicht, dass es vorrangig von großer Wichtigkeit ist, alles en détail zu verstehen: Die Schüler*innen, die mittlerweile jeden Freitag auf die Straße gehen, haben erkannt, dass die Klimapolitik so, wie sie gerade läuft, nicht funktioniert. Sie haben erkannt, dass ihre Zukunft in Gefahr ist. Sie fühlen sich nicht ernst genommen und sie wollen, dass sich etwas verändert. Sie wollen, dass man ihnen zuhört. Sie wollen Aufmerksamkeit für ein Thema, das sie direkt betrifft, das ihnen wichtig ist, das ihnen am Herzen liegt. Und aus diesem Grund machen sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch, engagieren sich, setzen sich für eigene Anliegen ein und zeigen den Politiker*innen dieser Welt: Wir sind nicht einverstanden. Wir wollen, dass sich etwas ändert. Nicht mehr, nicht weniger.

Der faulige Atem der Klimapolitik

Und ja, aktiv an der Klimapolitik zu arbeiten, Maßnahmen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, schaffen diese Schüler*innen vielleicht nicht. Doch dafür gibt es, wie Lindner tatsächlich richtig formulierte, Profis, deren Aufgabe genau das ist. Wir reden hier nämlich über zwei verschiedene Paar Schuhe: Die Schüler*innen machen auf ein Problem aufmerksam. Die Wissenschaftler*innen und andere Profis befassen sich mit möglichen Lösungen für dieses Problem. Was Lindner außerdem übergeht: Würde die Politik sich ausreichend mit dem Problem des Klimawandels befassen, wären die Schulstreiks ja gar nicht von Nöten.

Um es mit Lindners Zahnarzt-Metapher, die er in Anne Wills Talkshow anführt, zu sagen: Ganz egal, wie löchrig und faulig das Gebiss der Klimapolitik auch ist, die Zahnärzt*innen kommen niemals einfach so zu ihren Patient*innen und behandeln auf Gutdünken. Die Patient*innen gehen zu Ärzt*innen, nicht andersherum. Und wenn die Patient*innen nicht einsehen, dass sie krank sind, wenn sie ihre Krankheit ignorieren, dann muss man sie manchmal zu ihrem Glück zwingen. Und deshalb ist es verdammt richtig, mutig, gut und wichtig, dass jeden Freitag Schüler*innen die Politik darauf aufmerksam machen, ihre Klimapolitik mal in Behandlung zu schicken und das zu retten, was noch zu retten ist.

Das möchte Christian Lindner aber offenbar genauso wenig wahrhaben, wie die Tatsache, dass Wissenschaftler*innen und Expert*innen auch in der Vergangenheit schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht haben, dass der Klimawandel ein Problem ist, das es schleunigst zu lösen gilt. Man muss den von Lindner so hoch beschworenen Profis dann halt auch zuhören, wenn sie etwas zu sagen haben.