In der Artikelreihe "Wie reden wir eigentlich miteinander?" beschäftigen wir uns mit verschiedenen Formen und Theorien der Kommunikation. Viele dieser Methoden werden in der Psychologie gelehrt – oft sind sie so simpel wie logisch. Sie lassen sich ohne Aufwand in unser tägliches Leben integrieren. Wir von ze.tt denken, dass eine vernünftige Debattenkultur wichtig für unser Miteinander ist.

Wir haben diese Serie gestartet, um vor der Bundestagswahl zu erforschen, was es für eine vernünftige Debattenkultur braucht. Im Gespräch von Angesicht zu Angesicht und im Netz, wo sich mittlerweile ein Großteil unserer Kommunikation abspielt. Unsere Social-Media-Kanäle sind die Klärbecken unserer Debattenkultur, nirgends ist so offensichtlich, was falsch läuft – so lautete anfangs meine persönliche Grundthese.

Aber bevor wir uns Gedanken darüber machen, wie wir im Netz miteinander sprechen, sollten wir erstmal darüber reden, wie wir eigentlich Face-to-Face miteinander reden.

Als würde man gemeinsam einen Film kritisieren

Der Fachbegriff dafür ist Metakommunikation. Sie dient der Reflexion über uns, über andere und über Kommunikation an sich. "Metagespräche befassen sich vor allem mit der Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, also mit ihrer Beziehung. Außerdem geht es fast immer darum, herauszufinden, ob beim anderen auch genau das angekommen ist, was man ihm oder ihr mittels Sprache und Verhalten vermitteln wollte", schreibt der Psychotherapeut Herbert Mück.

"Sie sind ein ausgezeichnetes Instrument, um gute Beziehungen herzustellen und zu pflegen." Und dafür, künftigen Konflikten vorzubeugen. Konflikte seien jedoch nicht das einzige Haupterschwernis einer guten Kommunikation. "Dazu gehören auch einseitige Monologe, ständiges Unterbrechen des anderen und fehlendes gegenseitiges Aufeinandereingehen. Solche Verhaltensweisen lassen sich ebenfalls in Metagesprächen thematisieren und dann künftig – hoffentlich – ändern."

Das klingt zunächst etwas schräg. Und das erste Mal fühlt es sich vielleicht seltsam an, Menschen um so etwas zu bitten. Schließlich könnten diese das ja auch als Einladung für eine Diskussion oder als Angriff auffassen. Deshalb wichtig: Die Situation muss abgekühlt sein, keine Schwere in der Luft liegen. Dann wirkt so ein Gesprächsangebot nicht wie ein Angriff, sondern wie ernsthaftes Interesse an der Verbesserung der Gesprächskultur.
Folgende Regeln sollten wir bei Metagesprächen beachten:

  • Laut Mück sollten wir uns schon im Vorfeld mit dem Gegenüber abstimmen, dass wir ein reines Metagespräch führen wollen. "Dabei soll es vor allem darum gehen herauszufinden, auf welche Art und Weise Sie beide miteinander sprechen und welche Auswirkungen das Gesprächsverhalten des einen auf den anderen hat." Davon ausgehend könnten dann Regeln entwickelt werden, die die weitere Kommunikation erleichtern und das gegenseitige Verstehen vorantreiben. Denn darum geht's dabei.
  • Zwischen das vorangegangene Gespräch, also bestenfalls einem Konflikt, und das darauf bezogene Metagespräch sollten wir eine deutliche Pause legen, in der sich erhitzte Gemüter beruhigen können. "Verdeutlichen Sie sich, dass es bei Metagesprächen nicht nur um ein völlig anderes Thema, sondern auch um eine ganz andere Perspektive geht. Dies fällt manchmal leichter, wenn man die bisherigen Plätze verlässt und sich auf völlig neuen Sitzgelegenheiten niederlässt oder sich zumindest hinter den bisherigen Sitzplatz stellt."
  • Dafür könnten wir auch gemeinsam den Raum wechseln und uns in einem neuen Zimmer – also auch mit der nötigen emotionalen Distanz – fragen: "Was ist da drüben gerade zwischen uns abgegangen?" Die Technik, zu sich selbst oder zu einer Situation auf Abstand zu gehen und das Ganze aus einer neutraleren Position von außen zu betrachten, nennt man auch "Dissoziieren".
  • Wir sollten das Gespräch dann so analysieren, als wären wir neutrale Kritiker, die sich gemeinsam ein Theaterstück oder einen Film angesehen haben. "Versuchen Sie im konstruktiven Dialog mit Ihrem Gesprächspartner herauszufinden, was da auf der Bühne abgelaufen ist, wie es zwischen den Beteiligten zu Missverständnissen kommen konnte und wie man das Drehbuch umschreiben könnte, so dass es bei künftigen Neuaufführungen des gleichen Stückes zu besseren Abläufen kommt."
  • Wir sollten bei der Analyse möglichst nicht die Worte "du" oder "ich" verwenden, sondern es mit "der/die eine" und "der/die andere" ausdrücken. Damit sorgten wir laut Mück für eine ausreichende Distanz zum früheren Geschehen und beugen der Gefahr vor, dass Aussagen über die Gesprächspartner*innen des als ein persönlicher Angriff im Hier und Jetzt erlebt werden.

Ich selbst habe schon ein paar Mal getestet, Metagespräche über einen vergangenen Konflikt zu führen. Was ich daraus gelernt habe? Dass ich viel zu oft nichts über mein Gegenüber weiß, selbst wenn es mir sehr nahe steht. Dass ich viel zu oft meinen vorgefertigten Meinungen darüber aufsitze, wie etwas zu laufen hat. Dass ich mich immer noch viel zu wenig in meine Gegenüber hineinversetze. Dass einzelne Worte wie Bombeneinschläge auf sie wirken können und dass ich selbst mich in vielen Angelegenheiten verdammt nochmal viel lockerer machen muss.

Auch, wenn man denkt, man würde seine Mitmenschen gut kennen und einschätzen können, entdeckt man durch Metagespräche neue Facetten, erfährt neue Ansichten, teilt neue Geschichten miteinander. Dinge, die im normalen Alltagstrott unter der Oberfläche versteckt sind und untergehen. Ernsthaft: Das ist gegenseitiges Verstehen auf einem ganz anderen Level.

Und was bringt das jetzt für Gespräche im Netz?

Wer das für sich übt, wird eine weitere Erkenntnis gewinnen: Eine vernünftige, konstruktive Debatte in Kommentarspalten ist nahezu unmöglich. Vor allem nicht mit gänzlich Fremden.

Nicht, weil das Gedankengut der Menschen restlos verloren ist. Sondern, weil in Chats und Kommentarspalten so viele wichtige Aspekte eines Face-to-Face-Gesprächs fehlen. Es gibt keine Möglichkeit, die Stimme zu heben oder senken. Es gibt keine Möglichkeit, emotional zu werden, mimische Reaktionen zu zeigen – und an solche erinnern wir uns später immer mehr als an Worte. Es gibt nicht die Möglichkeit, Dinge zu betonen oder sich im selben Moment zu korrigieren, in dem man noch etwas sagen wollte. Das räumliche Umfeld und der größere Kontext des Gesprächs fehlt völlig; man tippt in Wahrheit lediglich in ein karges Textfeld, losgelöst von aller Persönlichkeit. Das alles sind Dinge, die unser Hirn braucht, um wichtige Informationen von unwichtigen zu entscheiden.

Selbst wenn man es also schafft, im Netz konstruktiv über Themen zu diskutieren, fehlt der emotionale Zusammenhang komplett – das erschwert es uns, uns überhaupt daran zu erinnern. Und über uns selbst lernen wir dabei schon gleich gar nichts.

Es gibt da keine keine Gelegenheit, anschließend über Gesagtes zu reflektieren. Keine Gelegenheit für Metakommunikation. Kein Lerneffekt. Was da geschrieben wird, verpufft im Nichts.

Zum Umgang mit Internet-Trollen gibt es übrigens auch nur einen logischen Ratschlag: Ignorieren. "Mit einem Troll zu argumentieren, ist wie ein Ringkampf mit einem Schwein", schreibt der Kommunikationsberater Aeron Huertas. "Beide werden dreckig, und dem Schwein macht es Spaß."

Er empfiehlt außerdem, sich eine automatisierte Reaktion zu überlegen, wenn man mit einem Troll konfrontiert wird. Statt sich mit diesem auseinanderzusetzen, solle man etwas Konstruktives tun, etwas Sinnvolles und Befriedigendes. Zum Beispiel alte Freund*innen anschreiben, von denen man schon lange nichts mehr gehört hat. Oder einfach nur einen netten Spaziergang machen. Oder auch jemanden in ein Gespräch über ein vergangenes Gespräch zu verwickeln.