Premierminister Boris Johnson hat für das britische Parlament bis Oktober eine Zwangspause verordnet. Viele Brit*innen sehen darin einen Angriff auf die Demokratie.

Sie kamen mit Plakaten und EU-Flaggen. Hunderte Menschen versammelten sich am Mittwochabend in zwölf Städten in Großbritannien, um gegen die verordnete Zwangspause des Unterhauses zu protestieren. Zuvor hatte Premierminister Boris Johnson verkündet, dass er das Parlament bis Mitte Oktober schließen wolle. Die Entscheidung erfolgte mit Genehmigung von Queen Elizabeth II.

Normalerweise kehren die Parlamentarier*innen Anfang September aus der Sommerpause zurück und nehmen ihre Arbeit wieder auf. Nun will Johnson sie kommende Woche nach nur vier Sitzungstagen wieder nach Hause schicken und die Parlamentsarbeit damit vertagen.

Wie kann Johnson überhaupt das Parlament schließen?

Die Vertagung, auch Prorogation genannt, bezeichnet das Ende der Sitzungsperiode des Londoner Parlaments. Wie lange diese dauert, ist nicht formal geregelt. In Abständen von etwa einem Jahr ist es die Aufgabe der Queen, in einem formalen Akt das Parlament zu vertagen. Meist passiert dies im Frühling. Doch seit 2017 entschied sich Theresa May gegen eine Prorogation, um die langwierigen Gesetzesprozesse des Brexit nicht zu unterbrechen.

Es ist trotzdem nicht verfassungswidrig von Premierminister Johnson, eine Prorogation auszurufen und das Parlament zu vertagen, solange die Queen zustimmt. Allerdings wäre es den Gerichten prinzipiell möglich, die Vertagung zu kippen. Die Zeit dafür wird allerdings knapp.

Ein No-Deal-Brexit wird immer wahrscheinlicher

Die Parlamentsschließung macht es der Opposition nahezu unmöglich, gesetzlich gegen Johnsons geplanten Brexit am 31. Oktober vorzugehen. Boris Johnson hält an diesem Datum fest – unabhängig davon, ob bis dahin ein Austrittsabkommen mit der EU vereinbart ist oder nicht. Kritiker*innen werfen Johnson vor, mit der Zwangspause einen Brexit ohne Deal aktiv voranzutreiben. Politiker*innen der Oppositionsparteien wollen einen harten Brexit ohne Abkommen mit einem Gesetz verhindern. Der Vorsitzende der Labourpartei Jeremy Corbyn kündigte an, einen Misstrauensantrag gegen Johnsons Regierung einzureichen. Noch ist unklar, ob dafür eine Mehrheit zustande kommen würde.

Viele Brit*innen sprechen von einem Putsch und einem Angriff auf die Demokratie. Eine Petition gegen die Schließung des Parlaments erhielt innerhalb kürzester Zeit 1,3 Millionen Unterschriften. Unter dem Hashtag #StopTheCoup, stoppt den Putsch, teilten Menschen in den Sozialen Netzwerken Fotos und Videos der Proteste.