"Wir ziehen uns um: Raus aus den Badeanzügen und rein in eine neue Ära", verkündete die Gewinnerin des Miss-America-Wettbewerbs Cara Mund am Dienstag auf Twitter. Der Grund für den Beginn einer neuen Zeitrechnung: Ab 2019 werden zukünftigen Miss Americas nicht mehr darum buhlen müssen, wer in den Augen der Jury in einem Bikini am besten aussieht. Stattdessen sollen die Teilnehmerinnen sich in Outfits präsentieren, die zeigen, wer sie wirklich sind, und durch soziales Engagement überzeugen.

In interaktiven Sitzungen sollen die Kandidatinnen die Möglichkeit bekommen, die Jury von ihren Talenten und ihrem Intellekt zu überzeugen. Das Talent spielte bereits in der Vergangenheit eine Rolle – so boten Frauen Tanzperformances dar oder stellten ihr Puppenhandspiel zur Schau. Dieser Part der Wettbewerbe soll künftig aber noch mehr in den Vordergrund gerückt werden.

Das Aussehen werde hingegen keine Rolle mehr spielen: "Wer möchte nicht empowered werden, Führungsfähigkeiten erlernen, das College bezahlen können und die Möglichkeit bekommen, der Welt zu zeigen, wer man in den Tiefen seiner Seele ist? Das ist es, wonach wir sie (Anm. d. Red.: die Kandidatinnen) in Zukunft bewerten werden", erklärte Gretchen Carlson, die Vorstandsvorsitzende der Miss-America-Organisation.

Längst überfällige Änderungen?

Zuletzt hatten sich im Rahmen von #MeToo vermehrt ehemalige Teilnehmerinnen des Wettbewerbs zu Wort gemeldet und der Miss-America-Wahl eine Kultur des Missbrauchs vorgeworfen. Hinzu kam, dass im Dezember 2017 E-Mail-Konversationen öffentlich wurden, in denen Sam Haskell, der ehemaligen Chef der Miss-America-Organisation, die Gewinnerinnen des Wettbewerbes beschimpfte und sich abfällig über ihr Gewicht und ihr Liebesleben ausließ. Die Organisation reagierte, inzwischen steht ein rein weibliches Team hinter der Wahl zur Miss America.

Dieses setzt sich nun für eine zeitgemäßere Alternative zu den an Fleischbeschau grenzenden Wettbewerben der Vergangenheit ein. Anstatt sich wie bisher in Bikini und Abendkleid präsentieren zu müssen, sollen die Kandidatinnen in Zukunft tragen dürfen, was sie wollen. Eine zu freundliche Geste, die manche als längst überfällig empfinden mögen: Liebe Mädels, ihr dürft jetzt endlich selbst entscheiden, was ihr anzieht.

Die Organisation feierte sich für diesen Durchbruch: "Wir erleben in unserem Land eine kulturelle Revolution, bei der Frauen den Mut finden, aufzustehen und sich in vielen Bereichen Gehör verschaffen", erklärte Carlson. Die Miss-America-Organisation wolle Teil davon sein. Die Tatsache, dass Frauen dafür bei dem Wettbewerb keine Bikinis mehr tragen müssten, sehe sie als einen großen Schritt: "Das ist enorm!"

Keine Bikinis, keine Probleme

Dabei bleibt die Frage offen, wie die Organisation sich den Aufbruch in eine selbstbestimmte Zukunft junger Frauen vorstellt – und wie es dann um die Notwendigkeit des Wettbewerbs insgesamt steht. Die Organisation vergibt laut eigener Aussage die meisten Stipendien an Frauen im US-amerikanischen Raum. Bisher waren das Stipendien, die es diesen Frauen möglich machten, Universitäten zu besuchen oder sich politisch zu engagieren – allerdings nur solange sie schlank waren und den gängigen Schönheitsnormen entsprachen. Es ist gut, dass diese Maßstäbe endlich angepasst werden. Deshalb einen feministischen Ritterschlag zu erwarten, zeigt allerdings die Verblendung, die bei manchen Mitgliedern der Miss-America-Organisation zu herrschen scheint.

Frauen die Möglichkeit zu geben, selbst ihre Kleider zu wählen, bevor sie miteinander konkurrieren, um den Ansprüchen einer Jury zu genügen, ist kein feministischer Meilenstein. Es ist vielmehr die einzige Möglichkeit, die der Miss-America-Organisation blieb, um nicht vollkommen in der Vergangenheit zurückzubleiben.