Taylor McTaggart ist 18 Jahre alt, lebt in Glasgow, verändert manchmal ihre Frisur und ist eigentlich ein total normaler Teenager. Bis auf eins: Sie hat ein besonderes Talent zum Zeichnen und sich alles selbst beigebracht. Der Daily Record nennt sie "eine der vielversprechendsten jungen Künstlerinnen Schottlands."

Zeichnen ist das Wichtigste für Taylor. Es hilft ihr dabei, ihre Gefühle zu verarbeiten. Auch bei einer Depression in ihren frühen Teenie-Jahren war Kunst ein gutes Ventil. Inzwischen geht es ihr besser. "Ich habe angefangen, als ich drei Jahre alt war", sagt sie in einem Video der Organisation Finding your Feet, die Menschen mit fehlenden Gliedmaßen unterstützt. "Zeichnen macht mich wirklich glücklich."

Denn da ist noch etwas anderes: Im Alter von fünf Monaten wurden Taylor beide Hände und Füße amputiert.

Infektion mit schweren Folgen

Als Baby infizierte sich Taylor mit Meningitis, die Krankheit nahm einen ungewöhnlich schweren Verlauf. Sie kam auf die Intensivstation, ihre Finger und Zehen liefen schwarz an. Zwölf Tage lang kämpfte Taylors Körper gegen das Virus, bevor die Ärzt*innen ihren Eltern zur lebensrettenden Amputation rieten.

"Der Arzt nahm mich beiseite und sagte, die gute Nachricht wäre, sie könnten meine Tochter retten. Die schlechte wäre, dass sie ihr dafür die Hände und Füße abnehmen müssten (…) Das war der schlimmste Moment meines Lebens", erzählt Taylors Mutter Natalie im Interview mit Daily Record. "Ich wollte nur, dass sie durchkommt (…) Ich hätte alles getan, um sie zu retten."

Taylors Hände und Füße waren durch die Infektion so beschädigt, dass sie auf dem OP-Tisch förmlich von selbst abfielen. Nur einen kleinen Finger konnten die Ärzt*innen retten. Kaum jemand hätte gedacht, dass Taylor die schwere Infektion übersteht. Aber sie schaffte es – genau wie vieles andere.

"Ich kenne kein Leben mit Händen"

Taylor lernte mit Prothesen zu laufen, ging in den Kindergarten und war dort die Erste, die ihren Namen schreiben konnte. Schon früh fing sie an, zu zeichnen. Später in der weiterführenden Schule bemerkte sie, dass sie mehr aus ihrem Hobby machen wollte. "Mein Kunstlehrer hat mein Talent gesehen und mich ermutigt", sagt Taylor laut Daily Record. Sie experimentiert mit verschiedenen Stilen und Techniken, am liebsten aber mag sie Manga und Anime.

"Wenn Menschen mich zum ersten Mal treffen, denken sie nicht, dass ich in der Lage bin, zu zeichnen oder überhaupt irgendetwas zu tun. Sie denken bloß: ‚Sie hat ihre Hände und Füße verloren, sie kann gar nichts, sie sitzt nur im Rollstuhl rum.‘ Aber ich kenne gar kein Leben mit Händen und Füßen, für mich gab es nie etwas anderes", sagt Taylor im BBC-Interview.

Es mache ihr großen Spaß, ihnen das Gegenteil zu beweisen. "Ich denke gern, dass ich der lebende Beweis dafür bin, dass man alles erreichen kann, was man sich vornimmt."

Unabhängig, ambitioniert und mit Talent

Mutter Natalie ist stolz auf ihre Tochter: "Wenn sie irgendwas nicht hinbekommt, sucht sie einfach nach einem anderen Weg. Sie ist sehr unabhängig und anders würde sie es auch gar nicht wollen."

Taylor belegt einen Kurs am College, um ihr Portfolio auszubauen. Sie will ihr Talent nutzen, Kunst studieren und später mal professionelle Künstlerin werden. Was sie jetzt schon ist: ein Vorbild. Und zwar für alle. Sie selbst bringt es so auf den Punkt: "Das einzige Limit ist das, das du dir selbst setzt."