Ein Algorithmus diente als Grundlage für eine App, die Frauen bei der natürlichen Verhütung durch Temperaturmessung entscheidend unterstützen soll. Welche Vor- und Nachteile hat die Methode?

Elina Berglund, eine ziemlich erfolgreiche schwedische Teilchenphysikerin, hatte keinen Bock mehr auf die Pille. Also schrieb sie einen Algorithmus, der ihr eine natürliche Verhütung ermöglichte.

Etwa drei Jahre und zwei klinische Studien später ist nun eine App auf dem Markt, die Berglunds Algorithmus salonfähig machen soll: NaturalCycles verspricht eine sichere und hormonfreie Empfängnisverhütung für 5,40 € pro Monat im Jahresabo – inklusive gratis Thermometer. Ihr Pearlindex (Maß der Sicherheit einer Verhütungsmethode bei idealer Anwendung) liegt in der zweiten Studie sogar niedriger (0,25) als der der Pille (0,3) – das bedeutet, dass von eintausend Frauen, die mit der App verhüten, im Schnitt zweieinhalb Frauen aufgrund eines Fehlers der App schwanger werden. Bei korrekter Einnahme der Pille sind es im Schnitt drei Frauen – demnach sei die natürliche Verhütung mit Hilfe der App sogar sicherer.

Wie funktioniert die App?

NaturalCycles arbeitet mit der Körpertemperatur. Die ist nämlich vor und während des Eisprungs erwiesenermaßen 0,2-0,45° C höher. Dafür muss die Nutzerin allerdings jeden Morgen vor dem Aufstehen ihre Temperatur selbst messen und in die App eintragen. Ihr wird dann angezeigt, ob sie ungeschützten Sex haben kann, ohne dass die Gefahr einer Schwangerschaft besteht. Das ist an sechs Tagen pro Zyklus der Fall, denn bereits fünf Tage vor dem Tag des Eisprungs kann es, aufgrund der Überlebensdauer von Spermien, zu einer Schwangerschaft kommen.

Zwar gibt es solche Apps bereits, die arbeiten jedoch ohne Berglunds Algorithmus und stattdessen mit Standardwerten. Hier liegt die Sicherheit der Verhütung nur bei 75%, da die Körper von unterschiedlichen Frauen nunmal auch unterschiedlich ticken. Der Algorithmus sorgt an dieser Stelle dafür, dass die App individuell berechnet, ob eine Frau gerade fruchtbar ist oder nicht.

Was spricht dagegen?

Zunächst einmal schützt diese Form der Verhütung natürlich nicht vor Krankheiten, demnach eignet sie sich vor allem für Paare, die in festen und vertrauensvollen Partnerschaften leben. Fernbeziehungen sind davon auch eher ausgeschlossen – schließlich muss an sechs Tagen des Zyklus auf Sex verzichtet, oder klassisch, zum Beispiel mit Kondom oder Verhütungsring verhütet werden.

Ein weiteres, sehr ausschlaggebendes Gegenargument ist das hohe Maß an Durchhaltevermögen und die zwanghaft akkurate Durchführung, die diese Form der Verhütung allein von der Frau abverlangt, die sie nutzt. Nicht umsonst gab es innerhalb der zweiten Studie eine Ausstiegsrate unter den Probandinnen von über 30%.

Außerdem merkten Kritiker bereits an, dass die Testergebnisse auf einer Studie beruhen, die zwar über viertausend Frauen einschloss, aber sich ausschließlich auf Testerinnen bezieht, die alle zwischen 20 und 35 Jahren alt waren. Demnach ist nicht sicher zu sagen, wie die App bei jüngeren oder älteren Frauen abschneidet.

Was spricht dafür?

Hormonelle Verhütungsmethoden müssen sich seit einiger Zeit scharfer Kritik unterziehen. Insbesondere die Pille steht in Verdacht, in vielen Fällen das Risiko einer Thrombose oder einer Depression stark zu erhöhen und schuld an häufigen Stimmungsschwankungen zu sein. Auch Spiralen, die mit Hormonen arbeiten sind hiervon nicht ausgenommen. Kupferspiralen hingegen können zu starken Schmerzen während der Periode führen – jeden Monat ist das für viele kaum akzeptabel. Die natürliche Verhütung scheint hier eine gute Alternative zu sein, denn sie ist auf keine Fremdkörper oder Hormone angewiesen und nebenbei lässt sich damit einiges über den eigenen Körper lernen. Mit der passenden App könnte diese Form der Verhütung nun vereinfacht und damit revolutioniert werden.

Laut Website der App gibt es zudem keine Kriterien, die einzelne Frauen ausschließen würden: Sie kann sowohl von Frauen benutzt werden, die bisher hormonell verhüteten, als auch von denen, die einen unregelmäßigen Zyklus haben.

Außerdem eignet sich das Temperaturmessen auch für diejenigen, die schwanger werden wollen, denn die App bestimmt den Tag des Eisprungs präzise.

Mittlerweile hat Berglund übrigens weitere Teilchenphysiker*innen zur Optimierung ihres Algorithmus eingestellt. Sie hoffe, so sagt sie, dass sie so auch noch mehr Frauen von der Sicherheit ihrer App überzeugen kann. Schließlich könne es schon ziemlich angsteinflößend sein, sein Leben und seine Gesundheit in die Hände einer App zu legen.