The Last Of Us erschien vor sieben Jahren zuerst für die PlayStation 3, später remastered auch für die PS4, und verschaffte dem US-Entwicklerstudio Naughty Dog einen Hype, der selbst dessen weltweit beliebte Uncharted-Serie in den Schatten stellte. Das Action-Adventure nutzte seinerzeit die letzten Ausläufer des unter anderem durch die TV-Serie The Walking Dead aufgekommenen Zombiehypes und schaffte es, Millionen Videospieler*innen zu begeistern. Warum? Wie so oft bei herausstechenden kulturellen Produktionen ging es letztlich nicht um das vordergründige Zombiegenre, sondern um den Unterbau – das Fundament einer gut erzählten Geschichte.

Und die geht so: In einer nahen Zukunft verwandelt eine Pilzinfektion die Weltbevölkerung in willenlose Kreaturen, die alles und jede*n angreifen und töten. In dieser Postapokalypse übernehmen Spieler*innen die Kontrolle über Joel, einen Schmuggler, der bei der Pandemie seine zwölfjährige Tochter verloren hat. Er gerät an die Fireflies, eine Rebell*innengruppe, die sich gegen das chaotische Militärregime auflehnt, welches die kollabierte Regierung ersetzt hat.

Joel soll für die Rebell*innen ein kleines Mädchen aus der Quarantänezone schmuggeln: Ellie. Die 14-Jährige ist von großer Bedeutung, denn sie scheint immun gegen die Folgen der Pilzinfektion zu sein. Selbst Bisse der Infizierten oder dichte Sporenwolken verwandeln sie nicht in ein Monster. Ihr Blut könnte also der Schlüssel zu einem Gegenmittel sein. Mit dem Duo kämpft der*die Spieler*in sich von Boston aus nach Salt Lake City. Dort wollen die Fireflies aus Ellies Körper ein Medikament gewinnen – wie sich aber am Ende herausstellt, würde sie dabei ihr Leben verlieren.

Joel, dem im Laufe des Abenteuers Ellie als eine Art Ersatztochter ans Herz gewachsen ist, kann das nicht akzeptieren. In einem Massaker rettet er die bewusstlose Ellie aus dem Krankenhaus und flieht mit ihr. Im dramatischen Finale belügt Joel die wieder erwachte Ellie und sagt ihr, dass es noch andere Immune gebe, aber kein Heilmittel aus ihnen gewonnen werden könne. Joel wählt das Leben einer Person über die mögliche Heilung der gesamten Menschheit – ein Albtraum für jede*n Utilitarist*in.

Willkommen zurück in der Hölle auf Erden

The Last Of Us Part II setzt die Geschichte fort. Ellie ist inzwischen 19 und lebt mit Joel und anderen Überlebenden in einer gut gesicherten Siedlung in Wyoming. Ihr Verhältnis zum sichtlich ermüdeten Joel ist angespannt. Ellie hat sich inzwischen von ihrem Ziehvater emanzipiert, der Kontakt ist sporadisch. Themen des halbwegs normalen Lebens drängen in den Vordergrund: Etwa, dass Ellie bei einer Party Dina, die Ex-Freundin eines Kumpels, geküsst hat und sich da etwas anbahnt.

Zeitgleich hat es eine andere Gruppe Männer und Frauen auf die Siedlung abgesehen. Sie wollen sich an Joel rächen, aus zuerst völlig unbekannten Gründen. Letztlich geraten sie bei einem seiner Patrouillenausritte an ihn, nehmen Joel und seinen Bruder Tommy gefangen. Ellie stößt in dem Moment auf die Gruppe, als Joel brutal ermordet wird. Sie und Tommy überleben – und schwören Rache. Mit Dina bricht Ellie auf, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

The Last Of Us Part II liefert kaum neue Impulse

Der erste Teil war mit 20 Millionen verkaufter Kopien ein Riesenerfolg, aus mehreren Gründen. Niemand versteht es wie das Entwicklerstudio Naughty Dog, Mimik und Körpersprache von Spielfiguren so realistisch umzusetzen. Diese technische Brillanz gibt den außerordentlich gelungenen Dialogen jene Intensität, die The Last Of Us eher zu einem spielbaren Film oder Serienkomplex machen. Hinzu kommt ein eher schlichtes Spielkonzept, das auf Schleichen, Schießen und Sammeln von Ressourcen basiert, ohne viel Schnickschnack. Der Fokus liegt auf dem Wesentlichen: der Geschichte, der Welt, den Charakteren.

The Last Of Us Part II setzt sieben Jahre später das gleiche Konzept fort, Änderungen gibt es nur in kleinen Details. Diese Mutlosigkeit hat ihren Preis: Das endlose Schleichen durch wunderschön verfallene und von der Natur zurückeroberte Städte wie Seattle wirkt schnell ermüdend, denn man hat das Gefühl, dies alles doch bereits im ersten Teil "erledigt" zu haben. Frische spielerische Impulse fehlen. Hätte Naughty Dog diese Episode zwei oder drei Jahre nach Teil eins nachgereicht, wäre dies vielleicht nicht so ins Auge gefallen, aber sieben Jahre später sind die hohen Erwartungen deutlich schwerer zu erfüllen.

Das größere Manko ist allerdings die Story. Die ans Herz gewachsenen Charaktere sind zwar noch immer so tadellos und nachvollziehbar in Szene gesetzt wie in Teil eins. Aber die Geschichte des jungen Liebespaares Ellie und Dina, das gerade zarte Bande knüpft und sich dennoch in einen Rambo-esken Rachefeldzug in einer ohnehin schon unglaublich gefährlichen Welt stürzt, will nicht ins Bild passen. Dieser plumpe "Komm, wir riskieren unsere Leben"-Impuls passt nicht ins bis hierher so nachvollziehbare Bild; schließlich weiß gerade Ellie, wie viel Dreck auch Joel am Stecken hatte und wie zahlreich die Leichen sind, die auch seinen Weg pflastern.

Der homophobe Mob organisiert sich

Und so entsteht derzeit online eine große Diskussion um The Last Of Us Part II, die Spieler*innen sind ganz unterschiedlicher Meinung. Während Metacritic wieder eine Pressewertung von 95 ausspuckt, also die gleiche Kritiker*innenwertung wie für Teil eins, fällt die ebenfalls angezeigte Wertung der Nutzer*innen mit 3,9 von 10 Punkten ungleich härter aus. In den Kommentaren findet sich berechtigte Kritik. Allerdings findet sich auch viel Hass auf die Autor*innen des Spiels, die Ellie hier eine lesbische Beziehung offen ausleben lassen.

Ellies sexuelle Orientierung ist keine Überraschung: Schon im 2014 zum ersten Teil nachgereichten Download-Kapitel Left Behind ist zu sehen, wie die noch junge Ellie sich zärtlich ihrer Freundin Riley nähert. Einen vergleichbaren homophoben Aufschrei gab es damals aber nicht mal ansatzweise. Nun aber berichten etwa diverse News- und Gamingportale, dass gerade auf Reddit der Hass überkocht. Nutzer*innen hätten sich gezielt dazu verabredet, "Review-Bombing" zu betreiben – das Spiel also gezielt abzuwerten, um den Macher*innen "einen Denkzettel" zu verpassen. Die Kritiken kamen unmittelbar nach Release des Spiels – offenbar hatten die sogenannten Kritiker*innen keine Sekunde gespielt, sondern ihre Bewertungen von langer Hand geplant, nachdem bereits Ende April Details zur Story geleakt worden waren.

Eine lesbische Hauptfigur eines AAA-Mainstreamtitels: Damit kommen einige anscheinend nicht zurecht. Auf Metacritic schreibt etwa User*in LaymenGaming: "Das Spiel schmeißt eine wunderschöne Beziehungsdynamik aus dem Fenster, nur damit die Autoren Ellie als eine starke LGBT-Figur inszenieren können. (…) Um gewisse Demografien zufriedenzustellen, wird die Story komplett in eine sogenannte Repräsentation von Minderheiten in einer apokalyoptischen Welt gestürzt." Auf Reddit geht es eine Spur direkter zu, hier schreibt etwa Crapcicle6190: "Mich beeindruckt der politisch korrekte Gay-Scheiß im Spiel nicht. Welche sexuelle Orientierung Ellie hat, geht uns nichts an. Gay-Scheiß sollte nicht im Spiel sein, sollte in KEINEM Spiel vorkommen."

Man hätte denken können, wir wären 2020 weiter

Ja, The Last Of Us Part II mag nicht die Offenbarung sein, die der Erstling noch als Überraschung schaffte. Dennoch ist es trotz seiner Schwächen ein sehr gutes Videospiel, das aus der Masse heraussticht. Besonnen auf den inhaltlichen Kern wirkt die Diskussion daher wie jene über die letzte Staffel von Game of Thrones: Das hastig hingeschluderte Finale des Fantasy-Serienhits war natürlich immer noch besser als der Großteil an verfügbaren Vergleichsstoffen, wurde dem langsamen Aufbau und der gemächlichen Entwicklung der Figuren aber nicht gerecht.

Das kritisierten viele – während aber gefühlt noch mehr, also die "laute Masse", sich schlicht an den Entscheidungen der Figuren im Finale abarbeitete und es deshalb Hass und Häme regnen ließ. Genauso ist es auch bei The Last Of Us Part II. Solche Kritik lässt sich nicht vermeiden, aber der homophob motivierte Hass gegen das Spiel ist rückständig, verachtenswert und erbärmlich, somit leicht abzuweisen. Man hätte denken und erwarten können, dass wir im Jahr 2020 gesellschaftlich weiter sind. Die Fortsetzung mag spielerisch zwar auf der Stelle treten – Ton und Art der Kritik haben sich aber auf ein niedrigeres Niveau zurückentwickelt.