Kleine Kinder, die zum ersten Mal auf dem Töpfchen sitzen. Babys, die vor Hunger, aus Traurigkeit oder anderen Befindlichkeiten in die Kamera plärren. Nachwuchs, der im Familienurlaub lachend im Sand spielt. Solche Szenen sind keine Seltenheit mehr auf Instagram, YouTube und in anderen sozialen Medien. Zugegeben, manche von ihnen sind süß anzusehen, wenn die Kleinen unbeholfen in die Kamera glotzen. Wenn die niedlichen Wonneproppen aber mit Produkten abgelichtet werden, mit denen die Eltern Geld verdienen, dann sei das Kinderarbeit. So sieht es die Influencerin Toyah Diebel. Deshalb fordert sie mit einer Petition eine Anpassung des Jugendarbeitsschutzgesetzes.

Die Berlinerin, die unter dem Namen toyahgurl auf Instagram aktiv ist, ist für ihren satirischen Content auf der Plattform bekannt. In den Rollen als motorradfahrender Metalfan Siggi oder als Gamesüchtler Marvin unterhält sie ihre Follower*innen bereits seit 2015. Unter dem Hashtag #dinkelgate begann sie zudem, Parodien auf Mamabloggerinnen zu posten, die das Leben ihrer Kleinen in den sozialen Medien dokumentieren. Aus dem anfänglichen Spaß wurde Ernst und eine Kampagne, die 2019 viral ging. Unter #deinKindauchnicht stellte sie Babyfotos mit Erwachsenen nach, um zu zeigen, wie entwürdigend viele der vom Nachwuchs auf Instagram geposteten Bilder sind. Dabei werde die Privatsphäre der Kinder missbraucht, sagte Toyah damals gegenüber ze.tt.

Nun prangert Toyah Diebel die Gesetzgebung an, in der die Arbeit von sogenannten Mini-Influencer*innen nicht klar genug geregelt sei. Mit ihrer Petition unter dem Slogan #DigitaleKinderarbeit braucht Regeln spricht sie die verantwortlichen Politiker*innen Hubertus Heil, Christine Lambrecht (Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz) und Franziska Giffey (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) an, das Jugendarbeitsschutzgesetz zu überarbeiten und auf soziale Medien auszuweiten. Wir haben mit ihr über die Petition gesprochen.

ze.tt: Toyah, warum braucht es eine Anpassung des Jugendarbeitsschutzgesetzes?

Toyah Diebel: Es gibt klar definierte Gesetze, wann und wie oft ein Kind vor der Kamera arbeiten darf. Diese sind aber überhaupt nicht kompatibel mit den sozialen Medien, ich würde fast von einer Grauzone sprechen – das darf einfach nicht sein. Deshalb fordere ich eine Überarbeitung des Jugendarbeitsschutzgesetzes und dessen zeitgemäße Anpassung an Plattformen wie zum Beispiel YouTube und Instagram.

Es wird eine wirtschaftliche Tätigkeit von den Kindern ausgeführt, die von keiner Instanz kontrolliert wird.
Toyah Diebel

Was hat dich dazu bewogen, eine Petition zu starten?

Ich setze mich schon länger für den Schutz von Privatsphäre und Persönlichkeitsrechten von Kindern im Netz ein. Hier geht es aber vor allem um ethische und moralische Fragen. Beim Thema Mini-Influencer und Kinder von Mamabloggerinnen handelt es sich tatsächlich um eine Form der Kinderarbeit. Es wird eine wirtschaftliche Tätigkeit von den Kindern ausgeführt, die von keiner Instanz kontrolliert wird. Die Kooperationspartner wie Windel- oder Kinderwagenhersteller freuen sich über die kostengünstigen Likes, die Eltern über das Geld oder Freiware. Natürlich sind die Eltern da in einem Interessenkonflikt: Einerseits sind sie für den Schutz der Kinder zuständig, anderseits für den wirtschaftlichen Erfolg des produzierten Contents.

Was kann eine Petition daran ändern?

Die Unterschriften auf Change.org dienen in erster Linie dazu, Anliegen in den gesellschaftlichen und medialen Diskurs zu bringen. Je höher die Anzahl der Unterschriften ist, desto mehr Außenwirkung bekommt ein Anliegen. Eine Onlinepetition kann nichtsdestotrotz beim Petitionsausschuss eingereicht werden. Jede Petition, die eingereicht wird, muss bearbeitet und beantwortet werden. Es ergibt sich aber kein Recht auf eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss – welches auf Bundestagsebene ab 50.000 Unterschriften in der Regel gewährt wird. Vielleicht hat ja aber unser Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, mal Lust, über das Thema zu sprechen.

Wie stellst du dir eine Anpassung des Jugendschutzgesetzes an Social-Media-Plattformen vor?

Laut Paragraph 6 JArbSchG dürfen Kinder zwischen drei und sechs Jahren nur bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr bei einem Filmdreh mitwirken. Kinder über sechs Jahre können bis zu drei Stunden täglich, in der Zeit von 8 bis 22 Uhr, vor der Kamera stehen. Nach der Arbeit müssen die Kinder mindestens 14 Stunden Freizeit haben. Außerdem braucht es eine ärztliche Bescheinigung, dass die geleistete Arbeit auch wirklich gut für das Kind ist. Für Kinder unter drei Jahren gibt es gar keine Genehmigung. Das Kinderzimmer darf zum Schutz der Privatsphäre des Kindes in den Aufnahmen nicht gezeigt werden. Genau so sind Videos und Fotos in Badekleidung untersagt. Ich sehe solchen Content von Mamabloggerinnen trotzdem ständig auf Instagram. Wieso ist das möglich, wenn es doch so klar definiert ist? Weil es freiwillig erfolgen muss. Völliger Blödsinn in meinen Augen.

Bei dem Gedanken daran, mein eigenes Kind könne keine Wahl haben, wie es im Internet dargestellt, inszeniert und vermarktet wird, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf.
Toyah Diebel

Hat sich deine Einstellung zu Kindern auf Social-Media-Plattformen nochmal verändert, seitdem du selbst Mutter geworden bist?

Inhaltlich nicht, emotional definitiv. Bei dem Gedanken daran, mein eigenes Kind könne keine Wahl haben, wie es im Internet dargestellt, inszeniert und vermarktet wird, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf.

Würdest du grundsätzlich nie Fotos deines Kindes auf Instagram und Co. posten?

Nein. Einfach, weil ich meinem Kind die Wahl lassen möchte, ob es das überhaupt möchte. Wenn es alt genug ist, soll es selbst darüber entscheiden dürfen, so wie ich selbst auch die Wahl hatte.