Galgenpfad in Bonn, Vorderey in Hamburg und Agloe im Bundesstaat New York haben eines gemeinsam: Es gibt sie nicht. Sie sind sogenannte "Trap Streets" (falsche Straßen) und "Paper Towns" (erfundene Städte) – ausgedachte Landschaftseinträge, die nur existieren, damit Kartenhersteller Plagiate ihrer Karten aufdecken können.

Das bekannteste und älteste Beispiel ist Agloe. Dieses kleine Stückchen Land nördlich des Ortes Roscoe, ein paar Autostunden von New York City, fand sich 1925 auf Karten von Otto G. Lindberg und Ernest Alpers wieder. Agloe, ein Anagram aus den Initialen der beiden Kartographen, sollte deren Arbeit schützen und Fälscher überführen. Das funktionierte.

In den dreißiger Jahren veröffentlichten die Konkurrenten von Rand McNally ebenfalls eine Karte vom Bundesstaat New York und darauf befand sich auch ein Landabschnitt namens Agloe. Ertappt! Lindberg und Alpers Plan, Fälscher aufzudecken, schien aufgegangen zu sein.

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In einem Gerichtsverfahren widersprach der vermeintliche Karten-Klauer allerdings dem Vorwurf des Plagiats und gab an, dass sich an der Stelle Agloes ein kleiner Shop befand; der Agloe General Store. Der Betreiber des Shops hatte den Kartographen angeblich erzählt, dass sein Laden nach der Umgebung benannt wurde: Agloe. Vermutlich hatte er zuvor in eine Landkarte von Lindberg und Alpers geschaut.

So wurde aus der vormaligen "Paper Town" Agloe ein Ort, der zwischenzeitlich wirklich existierte. Als die New York Times die Geschichte vor zwei Jahren aufgriff, soll es noch vor Eröffnung des Agloe-General-Stores eine Fischerhütte namens Agloe Fishing Lodge gegeben haben, auf die sich der angeklagte vermeintliche Fälscher Rand McNally bezogen haben soll.[Außerdem bei ze.tt: Warum Japan Hakenkreuze auf Landkarten zeigt]

Heute gibt es weder Fischerhütte noch General Store. Agloe, der Ort, der nicht existiert, ist laut eines Artikels von Wolfgang Luef im SZ-Magazin ein Wallfahrtsort für Suchende, die eigentlich nicht genau wissen, was sie finden wollen. Touristen kennen die "Paper Town" vielleicht aus der Historie der Kartographie, vielleicht aber auch aus dem Film Paper Towns. Der erzählt die Geschichte des gleichnamigen Romans von John Green.

In dem Buch sind alle in das Mädchen Margo Roth Spiegelmann verliebt. Sie ist hübsch, leidet aber darunter, dass alle sie toll finden, ohne sie wirklich zu kennen. Deshalb nennt sich die Romanfigur des 2008 erschienenen Buches "Paper Girl" – ein Mädchen, das nur in der Fantasie ihrer Verehrer existiert. Margo ist ein bisschen wie Agloe.

Moat Lane, Argleton, Lye Close – Es gibt mehr Fake-Orte, als ihr denkt

In einem Beitrag von Sarah Zhang auf Gizmodo, der sich ebenfalls mit Paper Towns beschäftigt, erwähnt die Autorin noch einige andere Orte, bei denen nicht ganz klar ist, ob es sie jemals tatsächlich gab oder ob sie der Fantasie ideenreicher Kartographen entstanden sind.

Argleton

Argleton im Nordosten Englands, mit Hotels Geschäften und Häusern, die zum Verkauf stehen, war immer ein Feld und nie eine Stadt. Trotzdem fand sich der Ort eine ganze Weile auf Google Maps, bis er 2009 gelöscht wurde. Die Geschäfte und Häuser gab es wirklich; in  realen Städten drumherum. Wie kam dann Argleton auf Maps? Bevor Google anfing, alle Straßen dieser Welt abzufahren, übernahm es für seine ersten Europakarten Daten von Tele Atlas. In den Karten des niederländischen Unternehmens gab es eben auch Argleton – und Moat Lane.

Moat Lane

Die kurvenreiche Straße Moat Lane im Londoner Norden hat es in Wahrheit nie gegeben. Auch sie fand sich mehrere Jahre auf Google Maps.

Lye Close

Lye Close (wörtlich übersetzt etwa: sich nahestehende Lauge) ist eine Trap Street in Großbritannien. Hier bewiesen die Kartographen, die einst ihr Werk schützen wollten, besonders viel Humor: Die Sackgasse befindet sich Osten eines Upper-Class-Viertels in Bristol.

Inspiriert wurde dieser Beitrag durch eine Snapchat-Story von Jannis Kucharz, der in dieser Woche über Agloe, den Ort, den es gar nicht gibt, berichtete.